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Spirituelle Erfahrung in der Turbinenhalle

30. Dezember 2003

Sonnenaufgang im Nebel - nichts Erstaunliches im regnerischen London. Als Installation jedoch versetzt der Sonnenaufgang von Eliasson seine Betrachter in Erstaunen und Verzückung.

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Eliassons überdimensionale optische TäuschungBild: dpa

Betritt man die 152 Meter langen Turbinenhalle der Tate Modern Art Gallery in London, scheint es, als würde man durch feinen Nebel auf eine überdimensionale orangefarbene Scheibe zugehen, die aussieht wie eine auf- oder untergehende Sonne. Ein Spiegelfläche an der Decke der Halle verstärkt den Eindruck noch.

Die Besucher können sich selbst ameisenklein in dem Spiegel sehen und werden so Teil des Kunstwerks. Viele betrachten einfach nur ihr winziges Spiegelbild an der Decke. Einige versuchen sich aus der Menge abzuheben, indem sie sich selbst zu winken oder auf dem Boden liegend Verrenkungen machen. Die anderen unterscheiden sich kaum voneinander, denn durch die Höhe zum Spiegel und das monochrome orangefarbene Licht, erscheinen alle schwarzweiß.

Ein Gefühl der Bedeutungslosigkeit

The Weather Project, Kunst des Dänen Olaf Eliasson in der Tate Modern in London
Installation des Dänen Olaf EliassonBild: AP

Richard Dorment, Kritiker des "Daily Telegraph", erzählt von einer geradezu spirituellen Erfahrung, die offenbar von vielen Besuchern geteilt wird. Er fand, "dass wir vor der großen Sonne in der Turbinenhalle unseren unbedeutenden Platz in der Unendlichkeit des Sonnensystems erkennen könnten."

Alles nur eine optische Täuschung

Die Wahrnehmung von Illusion und Wirklichkeit ist ein Hauptthema der Installation von Eliassons. So ist das Werk des dänisch-isländischen Künstlers eine gigantische optische Täuschung: Die orangefarbene Scheibe ist in Wirklichkeit nur ein Halbkreis, der sich an der verspiegelten Decke verdoppelt. An der Decke befindet sich nicht ein Spiegel, sondern, leicht versetzt befestigt, mehrere hundert. Das bewirkt die Verzerrungen an den Außenrändern der "Sonne", die diese so realistisch aussehen lassen. Wenn man den Raum umrundet, kann man 200 Lampen erkennen, die sich zum atmosphärischen Sonnenlicht zusammensetzen.

Auch der Nebel ist eine Mischung aus Zucker und Wasser. Um den richtigen Effekt zu erreichen, probierte der Künstler zehn verschiedene Nebelversionen während der einjährigen Planungszeit aus. Inspiriert haben Eliasson, der sich bevorzugt mit Naturthemen auseinandersetzt, vor allem William Turners Sonnenauf- und Untergänge.

Von der Kunst zum Kult

Die Tate Modern gibt in mehrmonatigen Abständen die Turbinenhalle zur Gestaltung an einen Künstler frei. Die Monumentalinstallation von Eliassons ist auf dem besten Weg vom Kunstwerk zum Kultobjekt. Der Sonnenaufgang im Nebel zieht seit Ende Oktober scharenweise die Besucher an. Zu Eliassons Vorgängern gehörten Louise Bourgeois und Anish Kapoor. Eine Sprecherin der Tate erklärte, dass Eliassons Arbeit die bislang erfolgreichste in der Serie sei, so weit das vor Ende der Ausstellung abzusehen sei. (iw)