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Sprühen verboten

8. April 2005

Für die einen ist es Kunst, für die anderen Vandalismus: Das Bundesinnenministerium Deutschlands will sogar Hubschrauber gegen Graffiti-Sprayer einsetzen. 500 Millionen Euro Schadensersatz kostet die Kunst jährlich.

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Politisches Graffiti auf der Berliner MauerBild: AP

Unleserliche Kritzeleien, stilisierte Namen, fantastische Bilder, die sich in Städten auf Mauern, Brücken, U-Bahnen und auf beinahe jeder Oberfläche finden: Graffiti. Eine Kunst mit Ecken und Kanten, eine rebellische, gewagte und sogar schöne Kunst. Andere wiederum sehen darin nichts mehr als eine Seuche, eine entstellende Krankheit, ein sichtbares Zeichen für den Verfall eines Stadtteils. Ihrer Meinung nach senken die Schmierereien und schrägen Bilder den Wert eines Objekts und repräsentieren die außer Rand und Band geratene Jugendkultur. Daher verlangen sie rechtliche Konsequenzen für die in ihren Augen kriminellen Handlungen.

500 Millionen Euro Schaden durch Graffiti

Grafitti Reinigung von beschmiertem U-Bahn Zug
Teuer: Entfernung von Graffiti auf ZügenBild: dpa

Offensichtlich gehen die Sprühdosenkünstler oder -vandalen härteren Zeiten entgegen. 200 Gegner der Sprühbilder aus ganz Deutschland, sieben anderen europäischen Ländern und den USA trafen sich in Berlin zur ersten internationalen Konferenz zur Bekämpfung von Graffiti. Themen waren Wege, wie Graffiti bekämpft werden kann. Außerdem diskutierten die Teilnehmer Gesetzesänderungen, die notwendig sind, um Sprühern höhere Bußgelder und Strafen für die Beschädigung von Eigentum aufzuerlegen. Die Konferenz war organisiert von der Berliner Vereinigung "Noffiti". Laut der Vereinigung von Graffitigegnern entsteht durch die unerwünschte Kunst jährlich ein Schaden von 500 Millionen Euro. Alleine in Berlin werden jährlich 50 Millionen Euro zur Graffiti-Entfernung ausgegeben.

Skandinavisches Modell

Die Konferenzteilnehmer richteten ihr Augenmerk besonders auf die skandinavischen Länder, deren "Null-Toleranz"-Strategie das Graffiti-Aufkommen in ihren Städten erfolgreich reduziert hat. Graffitis werden dort so schnell wie möglich von den städtischen Behörden entfernt. Im Normalfall geschieht das innerhalb von 24 bis 48 Stunden. "Das entmutigt die Sprayer. Schließlich wollen die meisten, dass ihre Werke so lange wie möglich sichtbar sind“, begründet Karl Hennig, Gründer von "Noffiti", in einem Interview mit einem deutschen Radiosender. Darüber hinaus haben die skandinavischen Länder höhere Strafen für Graffiti. So können in besonders schweren Fällen sogar Haftstrafen bis zu zwei Jahren verhängt werden. "Ich glaube, die Leute haben genug von Vandalismus, aber wir müssen uns einig sein. Der Erfolg der nördlichen Länder ist darauf zurückzuführen, dass sich alle Parteien einheitlich dem Kampf gegen Graffiti-Vandalismus gewidmet haben", so Hennig.

Nofitti Karl Henning
"Sprayer entmutigen": Graffiti-Gegner Karl HennigBild: dpa

Druck ausüben, um das Gesetz zu ändern

Deutsche Politiker verschiedener Parteien forderten auf der Konferenz strengere Gesetze, um gegen Graffitikünstler vorgehen zu können. Auch Berlins Bürgermeisterin Karin Schubert (SPD) sagte, es sei nur möglich, die Anzahl von Graffitis zu reduzieren, wenn die Strafen dafür erhöht würden. So verlangte sie, dass Graffiti als strafbarer Akt deklariert wird. Bisher ist Graffiti in Deutschland nur strafbar, wenn durch das Sprayen selbst oder die spätere Entfernung nachweislich Schaden an der betroffenen Oberfläche entstanden ist.

Kavaliersdelikt Graffiti?

Ronaldo in Rio de Janeiro
Kunst? Brasiliens Fußballstar vor einer Graffiti-Karikatur von ihmBild: AP

Die Jugendsparte der Grünen ist jedoch dagegen, mit verschärften Gesetzen gegen Graffiti vorzugehen. Sie hielten nichts davon, Sprayer zu kriminalisieren, da das nur sehr wenige von ihren Aktivitäten abhalte und lediglich eine neue Klasse Krimineller schaffe, so der Sprecher der Jugendgruppe, Stephan Schilling. Er verlangte sogar, dass Hausbesitzer oder Regierung die Kosten für Graffiti-Entfernung tragen. "Wir sollten Graffiti einfach als Kavaliersdelikt betrachten", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Konrad Freiberg, Vorsitzender der Polizeigewerkschaft GdP, kritisierte die Haltung Grünen. "Es ist unverständlich, dass ein entsprechender Gesetzentwurf seit nunmehr sieben Jahren am Widerstand der Grünen scheitert", sagte Freiberg schon im Vorfeld der Konferenz. Auch in den Reihen der SPD wächst der Widerstand gegen Graffiti und viele Sozialdemokraten sind bereit, die Handlung als strafbar einzustufen.

Graffiti als Ausdruck von Freiheit

Wenn Graffiti als strafbare Handlung eingestuft wird, könnte das Leben der 8000 aktiven Sprühkünstler in Deutschland schwerer werden. Frank Lämmer, einer der bekanntesten "Schreiber" Berlins, war selbst lange illegal aktiv. Mittlerweile arbeitet er jedoch auf Bestellung und gegen Bezahlung. Der “Berliner Zeitung” sagte er, dass all das Gerede nicht das bewirke, was die Graffitigegner sich davon erhofften. "Wir müssen es schaffen, in einen Dialog zu treten. Sonst werden beide Seiten ihre Ziele nur immer radikaler verfolgen", so Lämmer. Er verwies auch darauf, dass Graffiti zu DDR-Zeiten bewundert wurde. Zumindest die Arbeiten, die auf der westlichen Seite der Berliner Mauer erschienen. Denn diese repräsentierten das Recht auf freie Meinungsäußerung, das die Westdeutschen hatten. Doch diese Zeiten sind vorbei. (jam)