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Kulturen erleben

Anahita Mehdipor26. November 2012

Eine Sprache besteht aus mehr als Vokabeln und Grammatik. Um Land und Leute zu verstehen, muss man die Landessprache kennenlernen. Genau das fördert der deutsche Pädagogische Austauschdienst seit 60 Jahren.

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Priscillia Jenkins vor einer Weltkugel im Foyer der Deutschen Welle (Foto: DW / Anahita Mehdipor)
Bild: DW/A.Mehdipor

"Sie sind bürokratisch, kaltherzig und essen nur Wurst", so denken ihre Freunde in El Salvador über die Deutschen, erzählt Priscillia Jenkins. Ein Bild, das vor allem durch historische Filme geprägt ist. Die 16-jährige Schülerin wollte es aber genauer wissen. Deshalb hat sie sich für ein Austauschprogramm des Pädagogischen Austauschdienstes, kurz PAD genannt, in Bonn beworben.

"Ich habe die Deutschen ganz anders erlebt", sagt Priscillia. "Sie sind gutherzig, hilfsbereit und lieben abwechslungsreiches Essen, keineswegs nur Wurst und Bier." Heute wünscht sich die Schülerin aus El Salvador, dass ihre Freunde sich auch ein so authentisches Bild von den Deutschen und ihrer Kultur machen können wie sie es in den vier Wochen ihres Austausches erlebt hat.

Sensibel für andere KulturenObwohl Priscillia in El Salvador auf eine deutsche Schule geht und fast perfekt Deutsch spricht, war sie mit der Kultur Deutschlands nur wenig vertraut. Ihr Beispiel zeigt, dass Fremdsprachenkenntnisse alleine nicht genügen, um ein Land und seine Menschen zu verstehen. In Zeiten der Globalisierung sei es wichtig, dass junge Menschen aus verschiedenen Ländern sich begegnen und Sensibilität für andere Kulturen entwickelten, betont PAD-Leiter Gottfried Böttger.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle unterhält sich in Neu Delhi mit indischen Schülern des PASCH-Austauschprogramms (Foto: picture-alliance/dpa)
Außenminister Guido Westerwelle an einer PASCH-Schule in IndienBild: picture-alliance/dpa

Seit 60 Jahren fördert der Pädagogische Austauschdienst als einzige staatliche Einrichtung in Deutschland den internationalen Austausch und die internationale Zusammenarbeit von Schulen auf der ganzen Welt. Sein 60-jähriges Bestehen feierte der PAD jetzt in der Deutschen Welle. Lag der Fokus zunächst in einer Kooperation mit Ländern der Europäischen Union, so bemüht sich der PAD heute besonders um einen Austausch mit Schülern und Lehrern in Indien und China.

Weltweite Vernetzung

Vor vier Jahren startete der PAD gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt die Initiative "Schulen: Partner der Zukunft", die rund 1500 Schulen weltweit miteinander vernetzt, in denen Deutsch unterrichtet wird. Die Initiative unterstützt den Aufbau von Partnerschaften zwischen Schulen, organisiert aber auch Projekte, an denen sich Schüler unterschiedlicher Länder beteiligen können. So kamen im Mai 2011 Schüler aus der Ukraine nach Essen, um dort gemeinsam mit Jugendlichen der Frida-Levy-Gesamtschule unter Leitung eines Künstlers ein Boot zu bauen.

Kinder aus der Ukraine bauen gemeinsam mit Kindern an der Essener Frida-Levy Schule ein Boot (Foto: Pädagogischer Austauschdienst)
Kinder aus der Ukraine bauen gemeinsam mit Kindern an der Essener Frida-Levy Schule ein BootBild: Pädagogischer Austauschdienst

Auch mit den Nachbarländern der Ukraine versucht der PAD Austausche zu organisieren, zum Beispiel mit Weißrussland. Die Zusammenarbeit mit Staaten, in denen Demokratie und Menschenrechte noch nicht fest verankert sind, hält der Leiter des Austauschdienstes für besonders notwendig. "Gerade auf der Ebene von persönlichen Begegnungen junger Menschen können wir viel erreichen", sagt Böttger. Doch wie weit kann der PAD dabei gehen?

Beitrag zur Völkerverständigung

"Wir fördern solche Projekte nicht um jeden Preis", betont der Pädagoge. "So würden wir zurzeit keiner Schule empfehlen, nach Israel zu reisen." Trotz des jüngsten Waffenstillstands sei die Lage noch zu prekär, um Kindern und Jugendlichen dort einen sicheren Aufenthalt zu ermöglichen. Anfang des Jahres war das noch möglich, da besuchte eine Schülergruppe aus Deutschland eine Schule in Israel. Seit dem Jahr 2000 kommen jedes Jahr zwanzig israelische Jugendliche für zwei Wochen in die Bundesrepublik. Im Mittelpunkt steht die Auseinandersetzung mit der gemeinsamen Vergangenheit während des Nationalsozialismus und die Aussöhnung. Ein Projekt, das wie viele andere auch zur Völkerverständigung beitragen soll.

Auch Lehrer sollen lernen"Doch nicht nur Schüler, auch Lehrer können von dem weltweiten Austausch profitieren. Schon seit Gründung des Pädagogischen Austauschdienstes gibt es das sogenannte Fremdsprachenassistenten-Programm. Dabei gehen vor allem Referendare an ausländische Schulen, um dort als Muttersprachler zu unterrichten. Im Schuljahr 2011 kam die Französin und angehende Lehrerin Chloé an ein Kölner Gymnasium, um dort Französischlehrerin Veronika Ferges zu unterstützen.

Gottfried Böttger, Leiter des Pädagogischen Austauschdienstes beim 60. Jubiläum in der Deutschen Welle (Foto: DW / Anahita Mehdipor)
Gottfried Böttger, Leiter des Pädagogischen AustauschdienstesBild: DW/A.Mehdipor

Sie brachte den Kindern und auch Ferges bei, dass "Le-goûter" eine süße Nachmittagsmahlzeit ist und zur französischen Tradition gehört. "Ich wusste, dass Kinder in Frankreich daran gewöhnt sind, um vier Uhr etwas Kleines zu essen", sagt Veronika Ferges. "Aber dass das ein fester Bestandteil der Kultur ist und einen eigenen Begriff hat, war mir neu."

Deutschland kennenlernen

Ein weiteres Pilotprojekt des PADs ist das Internationale Preisträgerprogramm für Deutschlernende im Ausland. Es kommt jährlich rund 500 Schülern aus 91 Staaten zugute. Jugendliche erhalten als Auszeichnung der Bundesregierung für ihre hervorragenden Deutschkenntnisse einen vierwöchigen Aufenthalt in Deutschland. Die Kosten übernimmt das Auswärtige Amt.

Im Rahmen dieses Programms kam auch Priscillia nach Deutschland. Ihre Reise beschreibt sie als ein "einmaliges Erlebnis", das sie nie vergessen wird. Erst in ihrer schwäbischen Gastfamilie sei ihr klar geworden, dass es in Deutschland viele verschiedene Dialekte gibt, sagt Priscillia. Um noch mehr kennenzulernen, möchte die 16-jährige Schülerin gerne wiederkommen und in Deutschland studieren.