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Sprachtests auch für mitreisende Familienangehörige von Aussiedlern

28. Januar 2002

– Aber kein individueller Nachweis des Verfolgungsdrucks in der Ex-Sowjetunion – DW-Interview mit dem Aussiedlerbeauftragten Jochen Welt zu Positionen der Bundesregierung

https://p.dw.com/p/1lM3

Köln, 28.1.2002, DW-radio / Russisch

Frage:

Niedersachsens Innenminister Heiner Bartling fordert, dass Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion individuell ihren Verfolgungsdruck nachweisen müssen. Den Zuzug von Aussiedlern möchte der SPD-Politiker begrenzen. Was halten Sie von diesem Vorschlag?

Jochen Welt:

"Der Vorschlag, den Herr Bartling hier einbringt, der ist ja nicht neu. Und er hat ja, was die Problematik angeht, die er beschreibt, eine gewisse Berechtigung. Wir haben unheimliche Integrationsprobleme erkennbar in den vergangenen Jahren. Und wir haben auch Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung im Blick auf den Aussiedlerzuzug. Nur hat das alles seine Ursachen. Und ich rate davon ab, jetzt nun das Kind mit dem sogenannten Bade auszuschütten, sondern ganz genau hinzuschauen, wo die Ursachen liegen und wo man dementsprechend auch anschließen kann.

Jetzt generell das Kriegsfolgenschicksal zu beseitigen, was ja unterstellt wird in dieser Annahme, hätte zur Folge, dass so gut wie kein Aussiedler mehr nach Deutschland kommen kann, weil einen individuellen Nachweis zum Beispiel darüber, dass eine bestimmte Studienwahl nicht erfolgen konnte, das wird es nicht geben, das wird nicht möglich sein. Von daher wird man dann den Aussiedlerzuzug gegen null reglementieren. Und das kann nicht im Interesse sein, wenn wir sagen, dass die Menschen sehr lange bis in die 90er Jahre unter dem Kriegsfolgenschicksal gelitten haben und dass es gilt, ihnen auch die Möglichkeit anzubieten, hier nach Deutschland zu kommen, um hier eine Zukunft sich zu erarbeiten.

Aber genau hinzuschauen heißt auch, zu gucken, wodurch denn die Probleme entstanden sind. Und die Probleme sind entstanden dadurch, dass ab Mitte der 90er Jahre sich der Trend umgekehrt hat. Es kamen nicht mehr nur die Antragsteller zu uns zum überwiegenden Teil, die auch deutsche Sprachkenntnisse hatten, sondern es kamen immer mehr Familienangehörige zu uns, die so gut wie keine deutschen Sprachkenntnisse mehr mit sich gebracht haben. Das war Mitte der 90er Jahre fünfzig zu fünfzig. Wir haben im Augenblick 24,5 Prozent Antragsteller, also die auch einen Sprachtest machen, und 75 Prozent mitreisende Familienangehörige, die keinen Sprachtest machen, die erhebliche Schwierigkeiten haben, sich auch sprachlich zu integrieren. Da jetzt genau anzusetzen und zu sagen, wie es im Zuwanderungsgesetz steht und wie von der (Zuwanderungs- MD)Kommission von Frau (Rita – MD) Süßmuth vorgeschlagen: Wir erwarten von allen Zuwanderern bei den Aussiedlern, also auch den Familienangehörigen, dass sie die Sprache bereits im Herkunftsland lernen und dass sie einen Sprachtest machen, bevor sie nach Deutschland kommen. (Dies – MD) ist effizienter, ist zielgenauer, ist punktgenauer, ist auch gerechter und liegt in der Tat zwischen den Vorschlägen und Möglichkeiten, die es gibt. Auf der einen Seite: so weiter zu machen, wie es die ehemalige Bundesregierung ja in Kenntnis der Situation gemacht hat, nämlich nichts zu tun, und dem extremen Vorschlag, der von Herrn Bartling kommt, das generell letztlich zu unterbinden. Wir sagen: Wir prüfen den Familienangehörigen auf den Sprachtest. Das schafft eine verbesserte Integration. Das schafft eine bessere Akzeptanz. Und es steuert die Zuwanderung der Aussiedler." (Interview: Nikita Jolkver) (me)