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Auf Herz und Vokabeln

Vera Kern29. Juni 2014

Deutschland heißt Ärzte aus dem Ausland willkommen. Aber oft reicht ihr Deutsch nicht aus, sagen die Gesundheitsminister - und wollen strengere Sprachtests einführen.

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Gesundheitsminister planen Standards für ausländische Ärzte (Foto: Patrick Pleul/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Eine Frau hat sich beim Skifahren das Knie verdreht und seither starke Schmerzen. Meniskus gerissen? Die Ärztin aus Syrien diagnostiziert schließlich eine Thrombose im Unterschenkel. In der Krankenakte wird sie später das Alter der Patientin mit 35 statt 53 angeben. Sie ist hochqualifiziert - aber beim simulierten Patientengespräch bei der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz wird schnell klar: Ihr Deutsch reicht noch nicht aus, um Patienten behandeln zu können.

Seit Jahren klagen Kliniken über Sprachprobleme bei ausländischen Medizinern. Da werden Brustschmerzen mit Bauchschmerzen verwechselt, weil beide Wörter mit "B" beginnen. Sogar in psychosomatischen Kliniken arbeiten Ärzte, die kaum Deutsch sprechen. "Wie soll das funktionieren, wenn es doch gerade auf das persönliche Gespräch ankommt?", wundert sich Jürgen Hoffart, Geschäftsführer der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz.

Jahrelang habe es die Politik versäumt, strenger die Deutschkenntnisse von Ärzten aus dem Ausland abzuklopfen, kritisierte der Mediziner im DW-Gespräch. "Der Nachweis normaler Sprachzertifikate reicht nicht aus, um mit einem Patienten vernünftig reden zu können."

In Rheinland-Pfalz ist man deshalb eine Art Vorreiter: Seit August 2012 müssen hier alle Mediziner aus dem Ausland einen strengen Sprachtest bestehen. Fachlatein übersetzen, ein Arzt-Patientengespräch simulieren, die Diagnose schriftlich in einer Krankenakte zusammenfassen: 360 ausländische Ärzte hat Jürgen Hoffart seither geprüft.

Jürgen Hoffart, Geschäftsführer der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz (Foto: LÄK RLP)
Hoffart: "Normale Sprachzertifikate reichen nicht aus"Bild: picture-alliance/dpa

Auf Herz, Nieren - und Vokabeln

Jürgen Hoffart prüft zuerst das Fachvokabular: Fraktur heißt Bruch, Appendizitis gleich Blinddarmentzündung. Teil zwei der Prüfung wird dann kniffliger: Im simulierten Arzt-Patienten-Gespräch offenbart sich schnell, wer noch nicht fit ist für den Krankenhausalltag. Typische Symptome eines Herzinfarkts oder eines Bandscheibenvorfalls müssen diagnostiziert werden. Keine exotischen Krankheitsbilder, sondern normaler Krankenhausalltag. Beim letzten Prüfungsteil, der schriftlichen Diagnose, hapert es am meisten, so die Erfahrung von Sprachprüfer und Arzt Hoffart. Etwa jeder fünfte fällt in Rheinland-Pfalz durch den Test, so eine Statistik der Landesärztekammer von Ende Mai.

Die Notwendigkeit strengerer Sprachtests haben inzwischen auch andere Bundesländer erkannt. "Arzt und Patient müssen sich verständigen können - und das darf nicht an Sprachbarrieren scheitern", meint die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU). "Mangelnde Deutschkenntnisse bei Ärztinnen und Ärzten, das geht gar nicht", sagt auch ihre Kollegin Barbara Steffens (Grüne) aus Nordrhein-Westfalen: Dort gibt es neben Baden-Württemberg, Thüringen und Hessen bereits spezielle Deutschtests für Ärzte.

Mehr Ärzte aus dem Ausland

Laut Bundesärztekammer arbeiteten im vergangenen Jahr mehr als 31.000 ausländische Ärzte in Deutschland; zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Die meisten kommen aus Rumänien, Griechenland, Ungarn, Bulgarien - und Syrien. Gefragt sind sie insbesondere in ländlichen Regionen und in Ostdeutschland, wo Krankenhäuser teilweise händeringend nach hochqualifiziertem Personal suchen.

Symbolbild Operation im Krankenhaus (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)
Patienten richtig über eine Operation informieren: Für einige ausländische Ärzte eine HerausforderungBild: LÄK RLP

Für ausländische Abschlüsse von Ärzten gibt es bereits seit Anfang des Jahres eine einheitliche Überprüfung. Aber mangelnde Sprachkenntnisse? "Die Politik hat das lange Jahre ignoriert", kritisiert Jürgen Hoffart. Manche Bundesländer handhaben die Sprachkenntnisse großzügiger, andere sind da strenger. Für sie stehe eben der Patientenschutz an erster Stelle, meint Jürgen Hoffart.

Viele Integrationspolitiker dagegen dringen darauf, die Qualifikationen von Arbeitskräften aus dem Ausland höher wertzuschätzen und etwa ausländische Diplome leichter anzuerkennen. Dieses Argument lässt Hoffart aber zumindest in Bezug auf die Sprachkenntnisse nicht gelten: "Willkommenskultur hin oder her: Niemand will nachts um drei in der Notaufnahme auf einen Arzt mit mangelhaften Sprachkenntnissen treffen."

Herkunftssprachen nicht verdammen

Kritiker fürchten jedoch, dass das Argument "Patientensicherheit" mit der Angst der Menschen spielt. Nach dem Motto: Ohne perfektes Deutsch passieren gleich massenhaft Kunstfehler. "Häufig wird fälschlicherweise aus einer fehlerhaften Aussprache auf eine geringere Sprachkompetenz geschlossen", beobachtet Bernd Meyer, Experte für Interkulturelle Kommunikation an der Universität Mainz. Und er macht gegenüber der DW auf einen anderen Aspekt aufmerksam: Oftmals sei das Problem genau anders herum, weil ein Patient nur mangelhaft Deutsch spreche. Und dann können unter Umständen die Sprachkentnisse von ausländischen Ärzten sogar hilfreich sein - etwa, wenn sie arabisch sprechen. Schließlich gelte die Patientensicherheit nicht nur für deutschsprachige Patienten, so Meyer.

Sprechstunde für Patienten ohne Krankenversicherung (Foto: Frank Rumpenhorst dpa/lhe)
Kritiker sagen: Sprachprobleme gibt es auch bei PatientenBild: picture-alliance/dpa

Zumindest für die nichtmuttersprachlichen Ärzte soll es nun nach dem Willen der Gesundheitsminister eine einheitliche Regelung geben. Neben dem Patientenschutz haben bessere Deutschkenntnisse noch einen Nebeneffekt: Sie entlasten deutschsprachige Kollegen. Denn häufig sind sie es, die bei gravierenden Missverständnissen zwischen Patient und Arzt vermitteln müssen.