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Spuren eines Massakers

11. Juli 2010

15 Jahre nach dem Massaker von Srebrenica gelingt es Wissenschaftlern mit Hilfe von DNA-Analysen weitere Opfer zu identifizieren. Dabei hilft ein würfelförmiger Automat aus Deutschland.

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Ein forensischer Pathologe untersucht menschliche Knochen (Foto: ICMP)
Ein forensischer Pathologe untersucht menschliche KnochenBild: ICMP

Im bosnischen Tuzla lagern hunderte Leichensäcke in langen Regalen in einem Kühlraum. Die Knochen darin wurden in verschiedenen Massengräbern Bosniens entdeckt, freigelegt und ausgegraben. Die Anthropologin Laura Yazedijan hat einige Knochen auf einem Edelstahltisch ausgebreitet. Es sei nicht leicht herauszufinden, welche Knochen zusammengehören, erklärt sie. Denn oft wurden die Leichen mehrfach umgebettet und zusammengehörende Teile an unterschiedlichen Orten begraben, um die Ermittler zu täuschen. "Die Identifizierung der Leichen wäre ohne Untersuchung der Erbmoleküle unmöglich", erklärt die Wissenschaftlerin. Deshalb stellt sie möglichst viele Knochen für die DNA-Analyse zur Verfügung.

Wissenschaftler vom ICMP, der Internationalen Kommission für vermisste Personen, haben in Sarajevo ein modernes DNA-Labor aufgebaut. Viele tausend Blutproben von Menschen aus der Region haben die Experten genommen, um die genetischen Fingerabdrücke mit dem Erbmaterial der Getöteten zu vergleichen. Die Gewinnung reiner Erbmoleküle aus teilweise verwesten und durch Witterungseinflüsse geschädigten Knochen ist jedoch kein einfacher Prozess.

Um gute DNA möglichst schnell aus den verschiedenen Knochen zu gewinnen, verwendet das DNA-Labor in Sarajevo einen Laborautomaten aus Deutschland. Der würfelförmige Kasten mit etwa 60 Zentimeter Kantenlänge, etwas größer als ein Mikrowellen-Gerät, dient in Forschungsinstituten, Kliniken oder in der Gerichtsmedizin meist zur Gewinnung von Erbmolekülen aus Blutproben. Entwickelt wurde das Gerät namens QIACube vom Biotechnologie- und Diagnostik-Unternehmen Qiagen in Hilden bei Düsseldorf. Der Würfel sei zuverlässiger und vor allem schneller als Handarbeit im Labor, so der Qiagen-Wissenschaftler Mario Scherer.

Die Anthropologin Laura Yazedijan (Foto: ICMP)
Die Anthropologin Laura YazedijanBild: Qiagen 2010

DNA-Technologien helfen bei der Aufklärung von Kriegsverbrechen

Zur Reinigung der Erbmoleküle enthält der Automat so genannte Säulen. Das sind Plastikröhrchen, gefüllt mit einem Material, das die Erbmoleküle an sich bindet und von störenden Substanzen trennt, ähnlich wie ein Filter. Dann folgen verschiedene Waschschritte, so dass die Wissenschaftler nach einer Stunde gereinigte DNA aus dem würfelförmigen Automaten entnehmen können. Im DNA-Labor des ICMP in Sarajevo hat sich der QIACube bewährt. Und er wird weiterhin gebraucht, erklärt Laborleiter Rene Huel. Die DNA-Technik spiele eine zunehmend wichtige Rolle für die Aufklärung von Kriegsverbrechen, so Huel: "Wir können den Leichen ihre Namen wieder geben, und die die Angehörigen erhalten Gewissheit. Und außerdem können dank der neuen Verfahren die Täter niemals sicher sein, dass Ihre Verbrechen nicht doch irgendwann ans Tageslicht kommen." Diese Technik sei bestens geeignet, um auch in anderen Regionen der Welt Opfer von Krieg und Gewalt zu identifizieren.

Insgesamt haben die ICMP-Experten um Rene Huel das Schicksal von mehr als 15.000 vermissten Personen in Srebrenica und anderen Teilen Bosniens und Exjugoslawiens aufgeklärt. So gelang es ihnen, von Juli 2009 bis Juli 2010 insgesamt 775 Opfer zu identifizieren. Das sind durchschnittlich zwei Identifizierungen pro Tag. Die verbliebenen Knochen haben die Wissenschaftler den Angehörigen übergeben, damit sie zum Jahrestag des Massakers von Srebrenica, am 11. Juli, beigesetzt werden können.

Autor: Michael Lange
Redaktion: Judith Hartl