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Sri Lankas Friedensprozess in Gefahr

Ravi Prasad, zurzeit Colombo30. Juli 2004

Nach hoffnungsvollen Friedensverhandlungen seit dem Frühjahr 2002 verschärft sich nun die Lage in Sri Lanka. Die norwegischen Vermittler befürchten erneute Kampfhandlungen im Osten des Landes.

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Soldaten untersuchen ein Haus der Tamil TigerBild: AP

Eigentlich stand es um den Friedensprozess in Sri Lanka recht günstig, nachdem auf Vermittlung norwegischer Diplomaten die Regierung und die tamilischen "Befreiungstiger" (LTTE - Tamil Tigers) im Frühjahr 2002 ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet hatten. Doch nun stoßen die Friedensbemühungen erneut auf schwerwiegende Hindernisse. Die separatistischen "Befreiungstiger", die seit 1983 für eine Autonomie der Region im Norden und Osten des Landes kämpfen, haben die Tagesordnung, die die Regierung für die Friedensgespräche vorbereitet hatte, zurückgewiesen. Die norwegischen Vermittler haben nun die Befürchtung geäußert, dass mit dem Platzen der Friedensgespräche in naher Zukunft sich auch die Situation im Lande verschärfen könnte. Im Osten des Landes werden sogar weitere Todesopfer befürchtet.

Verhandlungen gescheitert

Der stellvertretende norwegische Außenminister Vidar Helgessen kann seine Enttäuschung kaum verbergen: Er musste nach Oslo zurückkehren, ohne einen Durchbruch in den festgefahrenen Verhandlungen erzielt zu haben. Seine Bemühungen, die Regierung und die so genannten "Befreiungstiger" von Tamil Eelam (LTTE) an einen Verhandlungstisch zu bringen, sind gescheitert.

Helgessen hatte den Präsidenten Chandrika Kumaratunga und die Anführer der LTTE zu zweitägigen Verhandlungen getroffen. Die Tamilen-Tiger gaben ihm dabei zu verstehen, dass sie nicht bereit seien, die von der Regierung vorgeschlagene Agenda zur Wiederaufnahme der Verhandlungen zu akzeptieren. Helgessen wiederum überbrachte diese Nachricht dem Präsidenten.

Waffenruhe in Gefahr

Der norwegische Minister sieht einen der Gründe für das Scheitern seiner Friedensbemühungen in den andauernden Kämpfen zwischen der LTTE und den der von ihr abgespaltenen rivalisierenden Gruppe unter der Leitung von Vinayagamoorthy Muralitharan, auch Karuna genannt. Dieser, so der Vorwurf der Tamilentiger, soll nun mit rund 6000 übergelaufenen Tamilen-Kämpfern im Auftrag der Regierung Attentate auf Funktionäre der Befreiungstiger verüben. Die eigentliche Schwierigkeit, meinte Helgessen im Anschluss an die Gespräche, sei offensichtlich die Sicherheitslage im Osten des Landes, die ihn sehr beunruhige.

Die LTTE drohte damit, dass die Waffenruhe in Gefahr sei, so lange die Regierung den Kämpfern um Karuna Schutz gewähre. Tamilselvam, der Führer des politischen Arms der LTTE, bestätigte, dass Karuna und seine Anhänger zu einem wesentlichen Faktor in dem ins Stocken geratenen Friedensprozess geworden seien: "Die Regierung unterstützt Karunas Aktivitäten im Osten. Das ist eine erhebliche Verletzung des Waffenstillstandsvereinbarungen. Die Zukunft des Friedensprozesses liegt damit in den Händen der Regierung. Diese sollte umgehend damit aufhören, Karuna zu unterstützen."

Verlagerung der Prioritäten

Die Prioritäten der Befreiungstiger haben sich verlagert - vom Friedensprozess zur Beseitigung Karunas und seiner Anhänger. Karunas Abspaltung von der LTTE hat dem Image der Tamilentiger stark geschadet. Diese hatten sich zuvor nämlich immer gerne als einzige Repräsentanten der Tamilischen Bevölkerung im Lande gesehen.

Karuna war vormals Kommandant der LTTE im Osten. Er betrieb die Abspaltung von den Tamilentigern, weil diese seiner Meinung nach die tamilische Bevölkerung im Osten ignorierten. Zurzeit bekämpfen sich die LTTE und Karunas Gefolgsleute in den östlichen Bezirken Batticaloa und Ampara. Inzwischen haben sich die blutigen Auseinandersetzungen aber auch auf die Hauptstadt Colombo ausgeweitet. So wurden am Sonntag (25.7.) beispielsweise acht Anhänger von Karuna in den Außenbezirken der Hauptstadt kaltblütig erschossen.

Keine Hoffnung auf baldige Friedensgespräche

Sogar während ihrer Gespräche mit Helgessen gaben die Rebellen unverhohlen zu verstehen, dass sie erst das Problem Karuna lösen und dann an den Verhandlungstisch zurückkehren wollten. Es ist verständlich, dass die norwegische Delegation durch die Unbeweglichkeit der LTTE ebenso frustriert ist wie durch die Weigerung der Regierung, auf eine Übergangsverwaltung zu verzichten.

Helgessen glaubt demnach nicht mehr daran, dass es bald Friedensgespräche geben könnte: "Ich halte es nicht für wahrscheinlich, dass die Friedensgespräche in naher Zukunft weitergeführt werden. Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren, und ich lasse mich gerne überraschen - es wäre eine für mich sehr angenehme Überraschung, wenn ich mich irren würde."

Die einzige Zusicherung, die die Norweger von beiden Seiten erhielten, war, dass der Waffenstillstand nicht gebrochen würde. Ansonsten hat der Friedensprozess einen toten Punkt erreicht, und nur ein Wunder kann die beiden Seiten an den Verhandlungstisch zurückbringen.