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Kriminalität

"Oscar Pistorius zeigt keine Reue"

3. November 2017

15 Jahre statt sechs: Erneut ficht die Staatsanwaltschaft die in ihren Augen zu geringe Strafe für den ehemaligen Sprintstar an. Lässt sich das oberste südafrikanische Berufungsgericht überzeugen?

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Porträt Oscar Pistorius (Foto: Reuters)
Oscar Pistorius im Dezember 2015 vor GerichtBild: Reuters/S. Sibeko

Oscar Pistorius habe seit den tödlichen Schüssen auf seine Freundin viel Selbstmitleid, aber keine wirkliche Reue gezeigt, sagte Staatsanwältin Andrea Johnson vor dem obersten Berufungsgericht in Bloemfontein. Sie ergänzte bei der offiziellen Anhörung, der heute 30-Jährige habe vor Gericht um Entschuldigung gebeten, sich jedoch nie zu dem Verbrechen bekannt. Deswegen hätten ihm bei der Festlegung des Strafmaßes im Juli 2016 keine mildernden Umstände zuerkannt werden sollen, so Johnson. Die Staatsanwaltschaft argumentiert, bei der Verurteilung sei Pistorius' Behinderung "überbetont" worden.

Das gegen ihn verhängte Strafmaß von sechs Jahren Haft wegen Mordes - was im deutschen Recht "Totschlag" entspricht - sei angesichts der üblichen Mindeststrafe von 15 Jahren "schockierend mild", sagte Johnson. Die Staatsanwaltschaft will erreichen, dass das Strafmaß auf die Mindeststrafe erhöht wird.

Darum geht es bei dem Fall

Der unterhalb der Knie amputierte Pistorius hatte seine Freundin, das Model Reeva Steenkamp, 2013 in seinem Haus mit vier Schüssen durch eine Toilettentür getötet. Pistorius beteuerte, einen Einbrecher hinter der Tür vermutet zu haben und in Panik gewesen zu sein. Die Staatsanwaltschaft argumentiert, bis heute habe Pistorius kein schlüssiges Motiv genannt, warum er insgesamt vier Schüsse abfeuerte.

Sein Fall hatte weltweit für Aufsehen gesorgt. Als Sprintläufer hatte Pistorius bei Paralympischen Spielen auf Karbon-Prothesen sechs Goldmedaillen gewonnen. In London startete er 2012 als erster beinamputierter Sportler der Geschichte auch bei den Olympischen Spielen.

Pistorius' Anwalt Barry Roux wies die Anschuldigung der Staatsanwaltschaft zurück, dass sein Mandant keine wirklich Reue gezeigt habe. "Er ist ein gebrochener Mann", sagte Roux. Sein Mandant habe Steenkamp nicht töten wollen, es sei "ein Unfall" gewesen.

Richterin Thokozile Masipa im Porträt (Foto: Reuters)
Richterin Thokozile Masipa hatte im Sommer 2016 den Einspruch gegen ihr Strafmaß abgelehnt Bild: Reuters/T. Hadebe

Steenkamps Mutter June verfolgte die Verhandlung in Bloemfontein, der inhaftierte Pistorius war nicht anwesend. In den kommenden Wochen müssen fünf Richter des obersten Berufungsgerichts als höchste Instanz mit einfacher Mehrheit über den Berufungsantrag der Staatsanwaltschaft entscheiden.

Der juristische Kampf der Ankläger

Es ist ein erneuter Versuch der Staatsanwaltschaft, eine härtere Strafe für den paralympischen Star Pistorius durchzusetzen. Zuvor hatte sie über eine Berufung erreicht, dass der ursprüngliche Schuldspruch von "fahrlässiger Tötung" mit fünf Jahren Haft zu "Totschlag" und sechs Jahren Haft verschärft wurde.

Bei der Urteilsverkündung in zweiter Instanz führte Richterin Thokozile Masipa 2016 mildernde Umstände an. "Er ist ein gefallener Held, er hat seine Karriere verloren, er ist finanziell ruiniert", sagte die Richterin. Er sei Ersttäter und habe Reue gezeigt, nun müsse er eine Chance haben, sich zu rehabilitieren. Gegen das Strafmaß legte die Staatsanwaltschaft schon damals Einspruch ein, den Masipa jedoch ablehnte.

Das relativ milde Urteil hatte in Südafrika Empörung ausgelöst. Für viele war es ein Zeichen gewesen, dass wohlhabende Angehörige der weißen Minderheit vor Gericht immer noch besser behandelt werden als Schwarze. Die Frauenorganisation der Regierungspartei ANC kritisierte zudem, das Urteil sende ein fatales Signal der Nachsicht bei häuslicher Gewalt.

ust/kle (dpa, afp, rtr, ap)