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Staatsstreich im Ministaat

Jochen Faget / Redaktion: Dirk Bathe2. März 2009

Granaten explodieren, in den Straßen fallen Schüsse, der Präsident und der Armeechef sind tot – in Guinea-Bissau versuchen meuternde Soldaten, die Regierung zu stürzen.

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Putsch in Guinea-Bissau. Soldaten patroullieren vor dem Regierungspalast in BissauBild: Jochen Faget

Um vier Uhr morgens riss eine Explosion die Bewohner des feinen Diplomatenviertels hinter dem Nationalstadion von Bissau aus dem Schlaf, gefolgt von Maschinenpistolensalven. Nach kurzem Durcheinander war klar: Bernardo ‚Nino‘ Vieira, der Präsident von Guinea-Bissau, war einem Attentat zum Opfer gefallen. Übrigens nicht dem ersten – bereits im Januar hatten Militärs versucht, den Chef des kleinen Staates an der afrikanischen Westküste zu ermorden. Gegen sechs Uhr plünderten Uniformierte die Präsidentenresidenz, feierten und tranken Bier.

Rache für Anschlag auf Armeechef?

Präsident von Guinea Bissau getötet Joao Bernardo "Nino" Vieira
Der Präsident Joao Bernardo "Nino" Vieira wurde nach offiziellen Angaben getötet....Bild: AP

Begonnen hatte das Durcheinander am Vorabend: Da explodierte eine Bombe im Hauptquartier der Streitkräfte und tötete den Oberkommandierenden Tagma Na Wai. Soldaten sperrten zwar das Viertel am Stadtrand sofort ab. Doch sofort machten Gerüchte die Runde, dass es sich um eine Abrechnung unter Militärs handelte. Trotzdem schien alles ruhig, bis der Angriff auf die Residenz des Präsidenten stattfand. Jetzt patroulliert die Armee die Hauptstadt Bissau, alle Zufahrtsstrassen sind abgesperrt. Es herrscht nervöse Ruhe, alle europäischen Staatsbürger und auch die anderen Ausländer seien jedoch sicher, hiess es aus der portugiesischen Botschaft.

Immer wieder haben Staatsstreichs und Bürgerkriege die frühere portugiesische Kolonie Guinea-Bissau erschüttert, auch der jetzt ermordete Präsident kam zuerst durch einen Putsch an die Macht, wurde gestürzt und musste mehrere Jahre ins Exil. Und wie jedes Mal weiss bis jetzt niemand, wer hinter dem Attentat steckt, ob es sich gar um einen Staatsstreich handelt. Fest zu stehen scheint nur, dass wieder einmal Militärs zugeschlagen haben.

Militär ist die eigentliche Macht im Staat

Putsch in Guinea-Bissau. Foto: Jochen Faget f. DW
Ausländer sollen sicher seinBild: Jochen Faget

Das Militär ist – seit den Zeiten des Unabhängigkeitskriegs gegen Portugal in den 60er und 70er Jahren – ein Staat im Staate. Seit Jahren versuchen die Politiker erfolglos, seine Macht zu beschneiden. Auch darum findet zur Zeit mit Hilfe der Europäischen Union eine Armeereform statt, die einerseits die Zahl der Soldaten verringern und andererseits die Streitkräfte modernisieren und demokratisieren soll. Das stösst in Militarkreisen natürlich auf Widerstände, die nicht zu unterschätzen sind. Denn es sollen vor allem hohe Offiziere aus der Kolonialkriegszeit in die Rente geschickt werden, die dann viel weniger verdienen würden. – In einem armen Land wie Guinea-Bissau könnte das durchaus ein Grund sein, zur Waffe zu greifen.

Aber auch Rauschgift könnte im Spiel sein: In den vergangenen Jahren soll Guinea-Bissau sich zu einer Drehscheibe südamerikanischer Drogen für Europa entwickelt haben. Da der Staat kein Geld hat, können die Grenzen und der Luftraum praktisch nicht überwacht werden. Und es heisst, manche Militärs, auch hohe, liessen die Drogenmafia gegen dicke Schmiergeldzahlungen gewähren. Aufgrund des steigenden internationalen Drucks hatte Präsident Nino Vieira, wie auch alle anderen Politiker, den Schmugglern den Krieg erklärt und sich damit weitere Feinde geschaffen.

Europäern droht angeblich keine Gefahr

Trotzdem sei Guinea-Bissau, so versicherten alle Beobachter zumindest bis gestern, auf dem Weg der Besserung gewesen: Der Präsident war beliebt, vorgezogene Neuwahlen hatten im November klare und stabile Verhältnisse im Parlament geschaffen. Carlos Gomes Junior, dem neuen Ministerpräsidenten und früheren Kampfgefährten Nino Vieiras, wurden relativ gute Beziehungen zum Staatschef und zu den Militärs nachgesagt. Die Dauerstaatskrise, hiess es, sei endlich vorbei. Darum kamen die Attentate für alle völlig unerwartet und ausgerechnet an dem Tag, als das Parlament das Programm der neuen Regierung debattieren sollte.