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Stabilität zuerst

21. April 2003

Auch die neuen EU-Mitglieder wollen den Euro. Sie müssen sich für die Währungsunion aber erst noch fit machen, meint Karl Zawadzky in seinem Kommentar.

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Kaum ist nach der Unterzeichnung der Beitrittsverträge zur Europäischen Union die Tinte trocken, da streben die Neuankömmlinge aus Mittel- und Südosteuropa auch in die Europäische Währungsunion. Das ist nicht nur ihr gutes Recht, sondern auch eine der Konsequenzen der EU-Mitgliedschaft. Denn zwar konnten bei der Schaffung der Währungsunion EU-Länder die Teilnahme am Euro verweigern, aber für Neumitglieder ist die obligatorische Teilnahme an der Währungsunion vorgesehen. Doch klugerweise gilt dafür das Prinzip: Eile mit Weile. Einen Automatismus gibt es nicht. Das ist gut so - und zwar für die derzeitigen Mitglieder der Euro-Zone und für die Beitrittsaspiranten.

Geld lebt von dem Vertrauen, das in seine Stabilität gesetzt wird. Dieses Vertrauen muss erarbeitet werden. Ausschlaggebend dafür ist nicht nur die Wirtschaftsstärke eines Landes, sondern auch - und zwar mehr noch - das Prinzip des Vorranges der Währungsstabilität. Dafür reicht es nicht, dieses Prinzip zu proklamieren. Nur wenn eine stabilitätsorientierte Wirtschafts- und Währungspolitik über einen längeren Zeitraum glaubwürdig und erfolgreich praktiziert wird, stellt sich bei den heimischen Verbrauchern und Investoren sowie an den internationalen Devisenmärkten das notwendige Vertrauen ein. Und natürlich haben die bisherigen Euro-Mitglieder sowie die Stabilitätswächter der Europäischen Zentralbank kein Interesse daran, Länder mit notorisch liederlicher Geldpolitik in ihren Kreis aufzunehmen.

Die Staaten, die an der Währungsunion teilnehmen, müssen einander in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung ähnlich sein. Das gilt nicht nur ganz prinzipiell etwa für die Marktwirtschaft, den Wettbewerb und für das Privateigentum als ordnungspolitische Grundpfeiler; die gelten neben der demokratischen Grundordnung bereits für die Aufnahme in die politische Union. Vielmehr dürfen in der Währungsunion Preisentwicklung, Zinsen, Haushaltsdefizite und Staatsverschuldung nicht von Mitgliedsland zu Mitgliedsland auseinander driften. Sonst wäre nämlich der gemeinsamen Zentralbank eine einheitliche Geldpolitik gar nicht möglich. Und ohne einheitliche Geldpolitik kann eine Währungsunion gar nicht funktionieren.

Deswegen müssen die Neuankömmlinge in der EU sich nach dem Inkrafttreten ihres Beitritts im Mai kommenden Jahres für die Aufnahme in die Währungsunion gesondert qualifizieren. Sie müssen erfolgreiche Konvergenz nachweisen. Dies dürfte den Balten-Republiken leichter fallen als den großen Neuankömmlingen, die mit erheblichen Staatsdefiziten kämpfen. Würden Ungarn, Polen und Tschechien einen stabilitätspolitischen Crash-Kurs einschlagen, um zum Beispiel ihr Haushaltsdefizit und die Preisentwicklung auf das im Stabilitätspakt vorgeschriebene Maß zu verringern, würden sie ihr Wirtschaftswachstum abwürgen - und erst einmal mehr verlieren als gewinnen.

Die neuen EU-Mitglieder werden - und dürfen - die Euro-Einführung nicht aus dem Auge verlieren. Denn das Ziel des EU-Beitritts ist nicht nur die Stabilisierung der gerade errungenen demokratischen Verhältnisse, sondern auch der Anschluss an das westeuropäische Wohlstandsniveau. Der Euro ist dafür - wie vorher die Deutsche Mark - das Objekt der Begierde. Wie früher konsequente Stabilitätspolitik den Erfolg der D-Mark ausmachte, so ist heute das hohe Maß an Währungsstabilität den Grund für den Erfolg des Euro. Die neuen

EU-Mitglieder wollen diesen Euro; sie werden ihn erhalten - aber nicht so schnell. Sondern am einfachsten und am erfolgreichsten wird die Euro-Zone auszuweiten sein, wenn nicht nur ein hohes Maß an Konvergenz nach den Kriterien des europäischen Stabilitätspaktes erreicht ist, sondern auch eine tatsächliche Angleichung des Wohlstandsniveaus.