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Stahlpreise bringen Mittelständler in Gefahr

Gernot Jaeger7. Dezember 2004

Stahlriesen melden Rekordgewinne: Stahl kostet derzeit bis zu 75 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Zu viel für einige Unternehmen. Der Mittelstand ächzt.

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Stahlrollen bei ThyssenKrupp in DuisburgBild: AP


Deutschlands größter Stahlkonzern ThyssenKrupp freut sich über einen Rekordgewinn, und auch die weltweite Nummer Eins der Stahlbranche, der Luxemburger Konzern Arcelor, kann sich kaum beklagen. Der Gewinn kletterte im dritten Quartal 2004 auf 835 Millionen Euro - fünf Mal so viel wie noch vor einem Jahr. Die weiteren Aussichten: rosig. Dem deutschen Metall-Mittelstand könnte hingegen ein langer Winter bevorstehen.

In einer Umfrage des Wirtschaftsverbandes Stahl- und Metallverarbeitung geben 16 Prozent der befragten 300 Unternehmen an, sie seien wegen der anhaltend hohen Stahlpreise in akuter Existenznot. Jedes vierte gefährdete Unternehmen rechnet mit einer Insolvenz innerhalb der nächsten sechs Monate. Und es könnte noch schlimmer werden, sagt Andreas Möhlenkamp, Geschäftsführer des Wirtschaftsverbandes. "Wir müssen auf die Jahresabschlüsse 2004 warten. Da wird dann im März und April die Wahrheit rauskommen, und für einige unserer Unternehmen könnte es ein böses Erwachen geben."

Kosten für Mittelständler explodieren

Mercedes Benz Vision Grand Sports Tourer North American International Auto Show in Detroit Autoshow
Bild: AP

Die mittelständischen Stahl- und Metallunternehmen kaufen das Rohmaterial Stahl und produzieren daraus Bauelemente, Rohre oder Maschinenteile. Viele stellen Zulieferteile für die Autoindustrie her. Wenn sie die Zusatzkosten für ihren Roh-Stahl nicht an ihre Kunden weiter geben können, wird es schnell eng. Und diese Zusatzkosten sind enorm. Walzstahl war im Oktober 37,7 Prozent teurer als noch vor einem Jahr. Bei Formstahl waren es 60,6 Prozent, bei schweren Profilen sogar 76,5 Prozent.

"Wir haben deswegen zum Beispiel bei der Automobilindustrie dafür geworben, dass sie ihren Zulieferern höhere Preise zahlt", sagt Andreas Möhlenkamp. "Da sind wir teilweise auf offene Ohren gestoßen. Einige sperren sich aber völlig und riskieren damit, dass ihre Zulieferkette reißt." Soll heißen: Riskieren, dass ihre Zulieferer pleite gehen. Vor allem Toyota und Ford mit der Marke Volvo seien schwierige Fälle, sagt Möhlenkamp. "Da darf man gespannt sein, ob sie mit dieser Strategie dauerhaft genug Material bekommen werden."

Nachfrage zu groß, Angebot zu klein

Stahlproduktion in China
Bild: AP

Das Grundproblem des Stahlmarktes ist die stark gestiegene Nachfrage. Vor allem China kauft Stahl wie nie zuvor um seine boomende Wirtschaft am Laufen zu halten. Dieter Ameling, der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, rechnet für dieses Jahr mit einem Anstieg der weltweiten Produktion auf mehr als eine Milliarde Tonnen. Auch das ist immer noch nicht genug. Die Nachfrage ist zu groß, das Angebot zu klein - das treibt die Preise.

Die Konzerne, die den Rohstahl herstellen, sehen in den höheren Preisen aber nur einen Ausgleich dafür, dass auch ihre Kosten für Koks oder Schrott gestiegen sind. Profite auf Kosten der mittelständischen Kunden mache man keineswegs. Andreas Möhlenkamp vom Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung muss da erst einmal trocken lachen. Zwei Mittelständler seien schon jetzt Opfer der Stahlpreise geworden und hätten Insolvenz anmelden müssen, sagt er: Der hessische Apparatebauer PGL und die nordrheinwestfälische BAM GmbH & Co. KG . Für viele andere werde es derzeit immer enger.

Situation nicht dauerhaft tragbar

Prognosen will Möhlenkamp in der aktuellen Situation nicht wagen. Noch ein Jahr wie das letzte könne selbst gut aufgestellte Unternehmen in Schwierigkeiten bringen, sagt er. Die Kosten fressen erst die Gewinne und gehen dann an´s Eigenkapital. Für eine Verbesserung der Lage müssten nach seiner Meinung zwei Dinge zusammen kommen. Erstens müsse der rasante Preisanstieg beim Stahl gestoppt werden. Zweitens müssten aber auch die Abnehmer den mittelständischen Unternehmen Preise zahlen, mit denen diese leben könnten. "Dauerhaft muss es so sein, dass die höheren Einkaufspreise komplett an die Abnehmer weiter gegeben werden", sagt er. "Anders kann eine Wertschöpfungskette nicht funktionieren. Unsere Unternehmen können ja nicht davon leben, dass sie bei jedem Auftrag noch einen Sack Geld drauflegen."