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Stalin als Star

Britta Kleymann7. Oktober 2003

Eine Ausstellung in Frankfurt am Main zeigt Arbeiten sowjetischer Künstler aus der Stalinzeit. Aber keine Museumsstücke, sondern Kunstwerke zur Massenproduktion – aus der groß angelegten Kampagne für den Kommunismus.

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Stalin in seiner Lieblingspose als "weiser Führer": Porträt von Alexander Gerassimow (1939)
Traumfabrik Kommunismus - Deineka Staffellauf 1947
Sportliches Ideal: Staffellauf, von Alexander Deineka (1947)

Glückliche Gesichter. Körper, die vor Kraft und Gesundheit strotzen. In den Himmel aufragende Bauten. Stolze Soldaten, fleißige Arbeiter – und über allem breitet der "weise Führer" Josef Stalin seine Arme aus. Motive aus der Epoche des Sozialistischen Realismus der Sowjetunion (1922-1953). Aus der "Traumfabrik Kommunismus", so jedenfalls lautet der Titel der Ausstellung in der Kunsthalle Schirn in Frankfurt am Main.

Massenkultur in Ost und West

Rund 200 Exponate haben die Ausstellungsmacher zusammengetragen, darunter nicht nur Gemälde, sondern auch Poster, Zeichnungen, Filme und Skulpturen. Die Exponate stammen aus Sammlungen wie der Tretjakowskij-Galerie, dem Historischen Museum Moskau oder der Russischen Staatsbibiliothek – und einige von ihnen sind zum ersten Mal seit Stalins Tod 1953 öffentlich zu sehen.

Traumfabrik Kommunismus - Kaljabin für die Jungend 1951
Der Jugend stehen alle Wege offen!, verspricht dieses Plakat (1951)

Bewusst verzichteten die Kuratoren (Boris Groys und seine russische Kollegin Zelfira Tregulova) auf Stücke, die für Museen geschaffen wurden. Sie wählten vor allem Werke, die als Vorlage für Massenverbreitung gedient haben, z. B. Schulbücher oder Plakate. Kunst im Kontext einer Massenkultur, die, so Kurator Boris Groys, "offensichtliche Ähnlichkeit" mit der zeitgenössischen amerikanischen Massenkultur aufweist. "Traumfabrik Kommunismus" eben, statt Traumfabrik Hollywood.

Max Hollein, Direktor der Kunsthalle Schirn, sieht durchaus Parallelen zu westlichen Kunstformen: "Reklametafeln, Plakate und Gemälde mit appellativem Charakter – all diese Techniken und Bildsprachen, derer sich der Sozialistische Realismus bediente, beziehungsweise die er entwickelte, wurden von der modernen Reklame aufgenommen."

Trommeln für den Kommunismus

Traumfabrik Kommunismus - Malewitsch
Arbeitsidylle: Schnitterinnen, von Alexander Malewitsch (1928/29)

"Die Kunst des stalinistischen Sozialistischen Realismus war eine große Werbekampagne, die das Ziel hatte, für den Aufbau des Kommunismus zu trommeln", ergänzt Groys. "Sie war ihrer Konzeption nach eine Kultur für die Massen, die es zwar de facto so nicht gab, aber in der Zukunft geben sollte." Sie hatte – anders als in der modernen Werbung – keine spezielle "Zielgruppe", sondern richtete sich an die gesamte Menschheit und rief dazu auf, "das Produkt Kommunismus zu erwerben" (Groys).

Von Avantgarde bis SozArt

In der Frankfurter Kunsthalle sind jedoch nicht nur Werke aus der Epoche der Avantgarde (1928–1933) und des eigentlichen Sozialistischen Realismus (1922–1953) zu sehen. Vertreter dieser Epochen sind Künstler wie Kasimir Malewitsch, Alexander Gerassimov und Isaak Brodski.

Traumfabrik Kommunismus - Bulatov
Ein Beispiel für die SozArt: Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang, von Erik Bulatow (1989)

Auch die künstlerische Weiterentwicklung wird präsentiert – es handelt sich um Arbeiten der so genannten SozArt, einer Kunstströmung, die sich nach Stalins Tod 1953 kritisch mit der Ästhetik des Stalinismus auseinander setzte. So runden Arbeiten von Erik Bulatov, Ilya Kabakov und Boris Mikhailov die Ausstellung ab.

Die Ausstellung "Traumfabrik Kommunismus" ist Teil des Kulturprogramms anlässlich der Frankfurter Buchmesse, bei der Russland in diesem Jahr Gastland ist. Sie ist noch bis zum 4. Januar 2004 in der Kunsthalle Schirn zu sehen.