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Stalins letzte Stunden

Claus Hecking4. März 2003

Vor fünfzig Jahren starb der sowjetische Diktator Jossif Stalin. Er war verantwortlich für den Tod und das Leid von Millionen von Menschen. Doch Stalins prominentestes Opfer war er selbst.

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Bild: AP

"Das Herz des Kampfgefährten und genialen Fortsetzers der Sache Lenins, des weisen Führers und Lehrers der Kommunistischen Partei und des Sowjetvolkes, Jossif Wissarionowitsch Stalin, hat aufgehört zu schlagen." Als Radio Moskau in den Morgenstunden des 6. März 1953 diese Meldung verkündet, ist das sowjetische Volk geschockt. Denn erst zwei Tage zuvor hatte die Staatsführung ihre Bürger erstmals über den schlechten Gesundheitszustand des Diktators informiert. Doch zu diesem Zeitpunkt ist Stalins Schicksal schon besiegelt: Er fällt seiner eigenen Schreckensherrschaft zum Opfer.

Der Diktator traut nur noch sich selbst

In seinen letzten Lebensmonaten wird Stalins Verfolgungswahn größer als je zuvor. Sogar seinen eigenen Leibarzt Wladimir Winogradow lässt er verhaften, wegen angeblicher Spionage für den Westen. Nun hat Stalin keinen Arzt mehr – trotz seines extrem hohen Blutdrucks und regelmäßiger Schwächeanfälle. Der 73-Jährige vertraut nur noch einem: sich selbst. Und so versucht er, sich mit selbst gebrauten Kräutertränken aus seiner georgischen Heimat zu kurieren. Doch diese "Heilmittel" helfen ihm nicht.

Stalins letzte Tage und Stunden haben sich vermutlich so zugetragen: Am Abend des 1. März 1953 erleidet er einen Schlaganfall. Stalin ist allein im Schlafzimmer seiner Datscha bei Moskau, und ärztliche Hilfe bekommt er erst am Morgen danach. Zwar fällt seinen Leibwächtern bald auf, dass Stalin nicht aus seinem Zimmer kommt. Doch ihre Angst vor dem Diktator ist so groß, dass sie es nicht wagen, den Raum zu betreten. Als die Wachen dann doch die Tür öffnen, sehen sie Stalin, der bewusstlos und schwer atmend auf dem Boden liegt. Sie rufen Lawrentij Berija herbei, den Geheimdienstchef. Doch Berija will zunächst keinen Arzt holen: Angeblich hat er gesagt, Stalin schlafe nur und solle nicht gestört werden.

Erst Stunden später ruft Berija doch noch die Mediziner herbei. Aber da ist es schon zu spät. Denn eine Notoperation wagen die Ärzte nicht. Sie haben Angst, Stalin dabei zu töten und dafür hingerichtet zu werden. So verschlechtert sich Stalins Zustand stündlich. Am 5. März 1953 um 21.50 Uhr hört sein Herz auf zu schlagen.

Mehr als 500 Tote beim Begräbnis

Tage später hallen Salutschüsse durch Moskau. Über zwei Millionen Menschen stehen auf der Straße, als Stalin bei einem pompösen Staatsbegräbnis auf dem Roten Platz im Lenin-Mausoleum beigesetzt wird. Der Diktator nimmt mehr als 500 seiner Untertanen mit ins Grab: Sie werden während der Trauerfeier von der Masse erdrückt und niedergetrampelt - so groß ist der Wunsch der Moskauer, noch einmal einen Blick auf ihr "Väterchen Stalin" zu werfen. Und das, obwohl der Diktator in den fast drei Jahrzehnten seiner Herrschaft Millionen Menschen umgebracht und noch mehr in Konzentrationslager deportiert hat. Viele Sowjetbürger glauben, was ihnen die staatliche Propaganda eingetrichtert hat: Stalin - der Held des Großen Vaterländischen Krieges. Der große, geliebte, geniale Führer der Menschheit. Und so weinen sie, als die sowjetische Hymne zum letzten Mal für den Mann gespielt wird, der 1879 als Jossif Wissarionowitsch Dschugaschwilli geboren wurde.

Die UdSSR nach Stalin

Der Personenkult um Stalin wird wenige Jahre nach dessen Tod von den Nachfolgern angeprangert. Im Februar 1956 enthüllt Nikita Chruschtschow einige der Verbrechen des Diktators. 1961 lässt er deshalb Stalins Sarg aus dem Lenin-Mausoleum entfernen. Die sterblichen Überreste Stalins werden an die Kremlmauer umgebettet. Dort liegen sie noch heute. 1991 schließlich löst sich die Sowjetunion in ihre Bestandteile auf. Das Datum ist gut gewählt: Es ist der 21. Dezember: Stalins Geburtstag.