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S&P gibt nicht auf

17. Januar 2012

Was haben Journalisten, die weiter emsig über den Bundespräsidenten schreiben, und die Ratingagentur Standard & Poor's gemeinsam? Beide nerven, meint Zhang Danhong in ihrem Kommentar.

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Symbolbild Füllfederhalter Kommentar (Grafik: DW)

Wenn es eine nur teilweise bezahlte Hotelübernachtung von Christian Wulff bei einigen Zeitungen auf die Titelseite schafft, dann drängt sich der Eindruck auf, einige Journalisten seien enttäuscht oder gar beleidigt, dass der Bundespräsident immer noch nicht zurückgetreten ist. Sie haben das Bild von den Medien als der vierten Gewalt wahrscheinlich zu wörtlich genommen.

Zhang Danhong (Foto: DW)
Zhang Danhong aus der WirtschaftsredaktionBild: DW

Als die fünfte Gewalt werden Ratingagenturen bezeichnet, die die Bonität der Unternehmen und Staaten bewerten. Von den drei großen Agenturen drängt sich in der letzten Zeit vor allem bei Standard & Poor's (S&P) der Eindruck auf, dass sie auch beleidigt sein könnte, da die Politik der Eurozone immer noch nicht nach ihrer Pfeife tanzt oder dass die Währungsunion überhaupt noch existiert.

S&P versucht, die Politik zu beeinflussen

Der gewählte Zeitpunkt der Herabstufungen lässt keine andere Deutung zu, als dass diese Agentur versucht, die Politik zu beeinflussen. Hier nur die jüngsten Beispiele: Anfang Dezember drohte sie 15 der insgesamt 17 Euroländer abzustufen - kurz vor dem Beginn des als Schlacht der Schlachten bezeichneten EU-Gipfels; am vergangenen Freitag setzte sie die Drohung in die Tat um und gab neun Euro-Mitgliedern schlechtere Noten - einen Tag davor waren die Euroländer gerade tief erleichtert über die mühelose Platzierung der spanischen und italienischen Anleihen; am Montag (16.01.2012) entzog sie schließlich auch dem Rettungsschirm EFSF die Bestnote - heute (17.01.2012) ist die Ausgabe einer neuen Anleihe durch den EFSF geplant. Ein Schelm, wer sich dabei was Böses denkt.

Welche Lösung will S&P erzwingen? Soll die EZB endlich nach dem amerikanischen Vorbild den letzten Kreditgeber spielen? Sollen Eurobonds aus der Taufe gehoben werden, für die alle gemeinsam haften? Oder ist es gar beabsichtigt, die Eurozone in die Knie zu zwingen, damit der Euro als Konkurrent zum US-Dollar verschwindet? Einige deutsche Politiker sprechen bereits von einem Währungskrieg und vermuten die US-Regierung als den geheimen Auftraggeber von S&P, obwohl sie im vergangenen Jahr auch die USA herabgestuft hat.

Gibt es einen Auftraggeber?

Damit wird die nächste Frage gestellt: In wessen Auftrag handelt die Ratingagentur? Denn für ihre fleißigen Herabstufungen erhält sie keine Vergütung. Nur rund zehn Länder weltweit bezahlen S&P für ihr Rating. Man muss nicht viel Phantasie haben, um zu vermuten, dass es sich um Länder handeln könnte, die ein besseres Rating nötig haben. Deutschland ist laut Angabe des Finanzministeriums jedenfalls kein zahlender Kunde bei S&P.

Dabei sind Ratingagenturen Privatunternehmen, die eine Gewinnmaximierung anstreben. Kaum vorstellbar, dass sie aus purer Nächstenliebe die Eurozone warnen, endlich solide zu wirtschaften.

Ein fragwürdiges Geschäftsmodell

Geld bekommen sie von Unternehmen, die eine Anleihe begeben wollen. Auf der einen Seite sind es die Unternehmen, die an einem möglichst guten Rating interessiert sind, denn damit verbunden sind niedrigere Zinskosten; auf der anderen Seite verlangen Investoren ein ehrliches Rating, um ihre Anlage abzuwägen. Es zahlt aber nur die eine Seite. Da ist der Interessenkonflikt programmiert. Dem waren in der Vergangenheit die Ratingagenturen nicht selten erlegen.

Von daher verdient die Idee des deutschen Unternehmensberaters Roland Berger, eine stiftungsbasierte unabhängige Ratingagentur auf europäischer Ebene zu gründen, ernst genommen zu werden. Als eine Non-Profit-Institution könnte sie den drei großen amerikanischen Agenturen Paroli bieten.

Die Eurozone muss sich unangreifbar machen

Bei aller Kritik an S&P müssen die Euroländer allerdings auch selbstkritisch eingestehen, dass sie sich selber durch eine unverantwortliche Politik in den letzten Jahren angreifbar gemacht haben. Nun gilt es, eine Fiskalunion zu installieren, die einen tragfähigen Schuldenpfad einschlägt und somit als Spekulationsobjekt ausfällt.

Doch bis dahin muss sich die Europäische Währungsunion warm anziehen, denn ein paar Giftpfeile hat S&P noch im Lager. Das Triple-A-Rating von Finnland, den Niederlanden und Luxemburg steht bereits auf der Kippe, denn der Ausblick lautet "negativ". Auch Deutschland muss sich darauf gefasst machen, dass seine Bestnote mit einem stabilen Ausblick jederzeit in Frage gestellt werden kann - an schlüssigen Kommentaren wird es S&P nicht fehlen.

Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Rolf Wenkel