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Eiskalt erwischt

8. Januar 2009

Vom Gasstreit zwischen Moskau und Kiew sind auch viele südosteuropäische Länder betroffen. In Bulgarien beispielsweise wurden Heizungen abgestellt. Viele Energiesysteme wurden auf Ölprodukte umgestellt.

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Wärmekraftwerke vom Stillstand bedroht

Russland hat seine Drohungen in die Tat umgesetzt. Der Gasmonopolist Gazprom drosselte im Streit um Lieferungen an die Ukraine die Exporte nach Europa. Einige Länder Südosteuropas sind fast völlig abhängig von den russischen Lieferungen. Nach dem Stopp der Gaslieferungen sahen sich städtische Fernwärmegesellschaften in Bulgarien gezwungen, die Heizung für Privathaushalte abzudrehen. Und das bei klirrender Kälte. Die Regierung rief Bevölkerung und Industrie auf, sparsamer mit Gas umzugehen. Industriebetriebe stellten die Produktion ein.

Kaum Alternativen in Bulgarien

Bulgarien ist zu 90 Prozent vom russischen Gas abhängig. Es gibt keinen Zugang zu einer alternativen Gasversorgung. Das wird von Opposition und Nicht-Regierungsorganisationen kritisiert. Ognjan Minchev, Chef der bulgarischen Abteilung von Transparency International: „Ein kleines Land wie Bulgarien muss langfristig versuchen, eine Diversifikation der Energiequellen herzustellen. Die bulgarische Regierung gibt systematisch nationale Interessen auf und schafft eine hundertprozentige Abhängigkeit von Russland."

Die Regierung suche nach alternativen Energiequellen, was angesichts der gegenwärtigen Situation richtig zu sein scheine, sagte der bulgarische Premier Sergej Stanischew. Da die Gasvorräte des Landes begrenzt sind, hat die bulgarische Regierung inzwischen eine Umstellung der Energieerzeugung auf Masut veranlasst. Das ist ein Destillationsrückstand aus Erdöl, der hohen Heizwert hat, aber die Umwelt stark belastet. Die Umstellung ist jedoch nicht überall möglich und kann dauern. Um die Energieversorgung des Landes zu gewährleisten, erwägt die bulgarische Regierung außerdem, einen Reaktorblock des Atomkraftwerks Kosloduj wieder in Betrieb zu nehmen, der mit dem EU-Beitritt aus Sicherheitsgründen stillgelegt wurde.

Türkei setzt auf Iran

Anders ist die Situation in der Türkei. Das Land bezieht zwar über 60 Prozent seiner Gaslieferungen aus Russland, allerdings nicht nur über die Pipeline durch die Ukraine. Die Lieferung über die zweite Pipeline, die unter dem Schwarzen Meer verläuft, sollte um etwa 20 Prozent erhöht werden. Der türkische Energieminister Himli Güler erklärte, damit sei die Grundversorgung mit Erdgas gesichert. Die Bevölkerung müsse nicht frieren, so Güler. Der Iran, zweitgrößter Gaslieferant der Türkei, sei bereit, die Liefermengen zu erhöhen, verkündete der iranische Wirtschaftsattaché Ahmad Nurani.

Auch der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan zeigte sich zuversichtlich: Kurzfristig seien keine Probleme für die Industrie zu erwarten, erklärte er. Der türkische Energieexperte Necdet Pamir ist nicht so optimistisch: „Wenn das Problem nicht gelöst wird, droht der Türkei täglich ein Ausfall von 20 Millionen Kubikmeter Gas.“ Das Land könne zwar für eine kurze Zeit die Versorgungslücke mit der Nutzung von Flüssiggas überwinden. Die Krise müsse jedoch rasch beendet werden, ansonsten werde zuerst die Industrie und dann die Bevölkerung die Schwierigkeiten zu spüren bekommen.

Mazedonien setzt auf Ölprodukte

Auch Mazedonien erhielt kein russisches Gas mehr. Die mazedonischen Gasreserven reichen nur für wenige Stunden, teilte der Ölversorger „Makpetrol" mit. Die städtische Fernwärmeversorgung von Skopje könne den Betrieb der Heizungen aber weiter gewährleisten. Es gebe genug Masut, hieß es aus der Firma. Auch Wirtschaftsminister Fatmir Bessimi zeigt sich gelassen: „In Mazedonien ist Gas nicht die wichtigste Energiequelle. Es gibt insgesamt 26 Unternehmen, die mit Gas arbeiten. Aber wir erwarten keine großen Probleme in der Industrie, vor allem, weil die meisten Unternehmen schon ein zusätzliches Heizölsystem installiert haben."

Sorgen auch in Griechenland

Auch Griechenland ist von der Gaskrise betroffen. Das Land bezieht mehr als drei Viertel seiner Gaslieferungen aus Russland, der Rest kommt aus Algerien und der Türkei. Die meisten griechischen Haushalte heizen mit Öl. Daher haben die Menschen den Lieferstopp noch nicht zu spüren bekommen. Viele Industriebetriebe haben wegen der hohen Gaspreise in den letzten Monaten auf Öl umgestellt. Die Gasvorräte reichen für 20 Tage. Die Regierung verhandelte unterdessen über neue Lieferungen aus Algerien. Für die Bürger bestehe kein Anlass zur Sorge, so der zuständige Minister Christos Foliaskein. Energieexperten glauben jedoch, dass die Gasversorgung für die Industrie gekürzt werde, sollten Russland und die Ukraine nicht rasch ihren Gasstreit beilegen.

Blagorodna Grigorova