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Starke Bilanz mit schwacher Führung

Alexander Kudascheff13. Oktober 2004

Die EU-Kommission amtiert zwar noch, aber in Brüssel wird schon über die neuen Kommissare gesprochen. Zeit für eine Bilanz der Amtszeit der EU-Kommission unter Romano Prodi.

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Alexander Kudascheff

Alle reden in Brüssel bereits von der neuen Kommission. Dabei amtiert die alte noch. Und trifft sogar noch Entscheidungen. Aber trotzdem ist bereits ein sentimentaler Abschmiedsschmerz in den Fluren der Kommission zu spüren. Und auch ein bißchen Stolz und Wehmut. Stolz auf das Erreichte. Wehmut für die meisten, weil sie nicht weitermachen durften. Und wirklich: Auf dem Papier liest sich die Bilanz der fünf Jahre Prodi beeindrucken.

Die EU ist auf 25 Mitgliedsländer erweitert worden - ein beispielloser Vorgang, den sie exzellent gemeistert, organisiert und umgesetzt hat. Sie verfügt über eine Einheitswährung, den Euro - dessen Fundamente zwar vor Prodi gelegt wurden, der aber in seiner Amtszeit eingeführt wurde - in immerhin 12 Ländern der EU. Es gibt eine Verfassung - auch wenn noch nicht feststeht, ob sie in Kraft tritt - schließlich wird in Ländern wie England, Frankreich und Tschechien per Volksentscheid über sie abgestimmt. Aber die Verfassung selbst - genauer der Verfassungsvertrag - ist ein historisches Novum in der EU. Drei herausragende Leistungen der Kommission, an denen sie federführend mitgewirkt hat.

Viel angestoßen

Aber unter ihre Ägide fällt auch der Aufbau von OLAF, dem Amt zur Bekämpfung von Betrug in der EU, der Ausbau von Europol, die Geburt von EUROjust, der Keimzelle einer gemeinsamen europäischen Staatsanwaltschaft, die Erfindung des europäischen Haftbefehls, das neue Amt eines Koordinators für den Terrorabwehrkampf. Und natürlich hat diese bienenfleissige Kommission Hunderte von Richtlinien verfasst, Weißbücher geschrieben, mal überreguliert, mal überliberalisiert. Übergroße Warnschilder auf Zigarettenpackungen, ein monströses Gefahrenregister für die Chemieindustrie, aber auch eine bemerkenswerte Reform der europäischen Landwirtschaft und eine beharrlich erfolgreiche Standfestigkeit in der BSE-Krise stehen auf der Habenseite der Prodi-Mannschaft.

Im Wettbewerbsrecht hat sich Mario Monti mit allen Großen angelegt , wenn es nötig war - aber auch viele Prozesse zum Schluss verloren. Beim Stabilitäspakt ist die Kommission ihrer Rolle als Wächter der Kriterien gerecht geworden, hat sogar vor Gericht gesiegt - musste aber trotzdem vor den Finanzministern kuschen, ja klein beigeben und am Ende erfahren, dass der Nicht-Sünder Griechenland über Jahre hinweg geschummelt hatte - und niemand es bemerkt hatte.

Schwachpunkt Prodi

Alles in allem eine bemerkenswerte, eine solide, eine beeindruckende Leistungsbilanz. Und doch bleibt ein haut gout. Nach außen hin war die Kommission schwach oder genauer gesagt: schwächlich. Und das lag am Präsidenten Romano Prodi. Hoch gelobt bei seinem Amtsantritt - wirkte er in den fünf Jahren in Brüssel wie ein Fremdkörper. Seine Auftritte waren hölzern bis hilflos. Seine Sprachkompetenz mittelmäßig, bestenfalls. Seine Rolle als Moderator nach innen war unumstritten - nach außen aber wirkte er wie ein tapsiger Bär, der nicht weiß, wohin ihn sein Weg führt.

Das Resultat: die Staats- und Regierungchefs ließen ihn spüren, wie wenig sie ihn schätzten, respektierten und achteten. Und schmälerten so die Rolle und den Einfluss der Kommission. Und so bleibt die Kommission Prodi - trotz ihrer Leistungsbilanz - in der schon beginnenden Erinnerung - Nostalgie und Wehmut hin oder her - eine schwache Kommission. Obwohl einige Kommissare weit überdurchschnittlich waren. Darunter der kühle Deutsche Günter Verheugen. Der gelassene Brite Patten. Der brillante Franzose Lamy. Der umtriebige Österreicher Fischler. Oder der scheue Portugiese Vitorino.