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Starker Kopf

Alexander Kudascheff9. Juli 2003

Günter Verheugen kann sich zurücklehnen: Er weiß, er hat einen guten Job gemacht. Die Erweiterung der EU - sie ist das Meisterstück Verheugens, eine beeindruckende Erfolgsgeschichte, schreibt Alexander Kudascheff.

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In weniger als drei Jahren hat der deutsche Kommissar die größte Erweiterungsrunde in der Geschichte der EU über die Bühne gebracht. Und das politisch ebenso effizient wie geräuschlos, ohne Stolpersteine und Hürden. Das wird nun honoriert.

Verheugen erhält neue Kompetenzen in der Kommission. Neben den übriggebliebenen Beitritten Bulgariens und Rumäniens, neben dem Beginn eines möglichen Verhandlungsprozesses mit der Türkei - die weiter sein Kerngebiet bleiben werden - ist Verheugen nun zuständig für die Außenpolitik gegenüber den nun neuen Nachbarn der EU: Russland, die Ukraine, die Moldaurepublik, Weißrußland und Israel. Dafür war bisher Chris Patten, der Kommissar für Außenpolitik, verantwortlich. Doch Patten gibt Zuständigkeiten ab - freiwillig, das muss man hinzufügen.

Nicht ausgelastet

Günter Verheugen hat natürlich den größten Teil seiner Arbeit mit den abgeschlossenen Erweiterungsverhandlungen getan. Er - und seine Generaldirektion, die in vorbildlicher Weise nun verkleinert wird - wollen sich aber nicht bis zum Ende der Amtsperiode der Kommission ausruhen - auf den wohlverdienten Lorbeeren. Und so richtig ausgelastet sind Verheugen und seine Leute mit Verhandlungen natürlich nicht, die erst 2007 und sehr viel später abgeschlossen sein werden.

Und auch den Fortschrittsbericht in Sachen Türkei, den Verheugen im Herbst vorlegen wird, lastet ihn nicht aus: Verheugen wird dann festellen, ob die Türkei mit ihren Reformen weit genug ist, damit Verhandlungen über einen Beitritt beginnen können. Doch man ahnt - hier in Brüssel und wohl auch in Ankara - Verheugen wird sich zögerlich zeigen.

Wichtige Aufgaben

Die neuen Aufgaben dagegen liegen genau im Trend der neuen außenpolitischen Konzeption der EU. Die Europäer wollen - diplomatisch und politisch und wirtschaftlich abgefedert und begleitet - ihre eigene Friedenszone ausweiten - und somit einen cordon sanitaire an Stabilität und Sicherheit schaffen: und dazu gehören nun einmal die an die neuen EU-Außengrenzen stoßenden Länder. Da Verheugen noch für die Beitrittsländer zuständig ist, solange sie nicht juristisch Vollmitglied sind, ist er auch der erste Ansprechpartner für deren Probleme.

Damit bleibt Verheugen ein starker Kopf in der Kommission - baut seine Machtposition gegenüber Patten und Solana aus - und kann, wenn er geschickt taktiert, auch noch den Stabilitätspakt übernehmen - was ebenfalls logisch wäre. Und ganz nebenbei erwächst dem heimlichen zukünftigen europäischen Außenminister Fischer vielleicht ein Nebenbuhler im eigenen Land. Aber darüber redet niemand öffentlich - außer bei den Brüsseler Sommerfesten.