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Startschuss für die Zukunft Europas

14. Dezember 2001

Viel Arbeit in 48 Stunden. Für den EU-Gipfel von Laeken ist eine lange Tagesordnung vorgesehen, die die Staats- und Regierungschefs in nur knapp zwei Tagen abarbeiten sollen.

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Vor dem Schloss von Laeken sind die Flaggen gehisstBild: AP

Außenpolitische Themen und die Vorbereitung weit reichender EU-Reformen stehen in Brüssel im Mittelpunkt. Im Schloss von Laeken, der Residenz der belgischen Königsfamilie, wollen die Staats- und Regierungschefs der 15 Länder an diesem Freitag und Samstag (15. Und 16. Dezember 2001) außerdem über weitere Schritte bei der gemeinsamen Bekämpfung des Terrorismus beraten.

Auch die Außenminister werden an der Sitzung der Regierungschefs teilnehmen. Der Beauftragte für die gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik der EU, Javier Solana, will über seine Nahost-Reise berichten, bei der er sich in den vergangenen Tagen vergeblich bemühte, ein zumindest vorübergehendes Ende der Gewalt zu erreichen. Trotz der schweren Rückschläge für den Friedensprozess will sich die EU für die Fortsetzung der Gespräche einsetzen. Bundeskanzler Gerhard Schröder hat die Konfliktparteien im Nahen Osten zur Mäßigung aufgerufen. Dies sei die Aufgabe sowohl der Israelis als auch der Palästinenser, sagte
Schröder unmittelbar vor Beginn des EU-Gipfel in Brüssel.
"Die Situation ist sehr Besorgnis erregend."

Außenpolitik und Sicherheit

In Bezug auf Afghanistan, Nahost und den Balkan soll über die internationale Schutztruppe gesprochen werden, an der sich einzelne EU-Länder, nicht aber die Gemeinschaft als Ganzes beteiligen werden.

Schwerpunkt Einsatztruppe

Als sicher gilt auch, dass die EU eine erste, begrenzte Einsatzbereitschaft ihrer eigenen Eingreiftruppe erklären wird. Bis 2003 sollen dafür 60 000 Soldaten gemeldet werden. Bevor aber deren Einsatz-Möglichkeiten exakt beschrieben werden können, gilt es noch, Unstimmigkeiten zwischen dem EU-Land Griechenland und dem NATO-Land Türkei zu beseitigen. Die Türkei hatte ihre Blockadehaltung in der NATO gegenüber der EU- Truppe auf Vermittlung Großbritanniens und der USA aufgegeben, nachdem ihr ein Mitspracherecht bei Einsätzen der EU-Truppe zugesagt worden war, die türkische Sicherheitsinteressen berühren könnten. Die Türkei hatte gefürchtet, die Truppe könnte in Zypern oder in der Ägäis eingesetzt werden, wo es Gebietsstreitigkeiten mit Griechenland gibt. Die Regierung in Athen hat nun ihrerseits Vorbehalte gegen den Kompromiss geltend gemacht.

Binnenmarkt und Innenpolitik

Die Staats- und Regierungschefs wollen außerdem den Weg zum europäischen Haftbefehl ebnen, nachdem als letzte die italienische Regierung grundsätzlich grünes Licht gegeben hat. Bleibt Roms Regierungschef Silvio Berlusconi bei seinem Einlenken im Streit um den EU-Haftbefehl, dann hat der Gipfel mehr Zeit für Justiz-, Asyl- und Einwanderungspolitik. Zudem steht die Besteuerung von Zinserträgen auf der Tagesordnung. Dazu gibt es zwar seit langem gefasste Beschlüsse, diese werden aber von Österreich und Luxemburg weiter torpediert. Einen neuen Anlauf wird es auch für die EU-Energiebesteuerung geben, Chancen werden dem aber kaum eingeräumt. Beschlossen werden sollen die Standorte für eine Reihe von EU-Ämtern und Agenturen, beispielsweise für Luftfahrtsicherheit. Dafür steht Köln mit auf der Bewerberliste.

Dauerthema: die Reform der Reform

Weil der große Wurf in Nizza im Dezember 2000 nicht gelang, steht auch die Reform der EU als wichtiger Punkt erneut auf der Tagesordnung. Beim Abendessen ist eine Aussprache über die "Erklärung von Laeken" vorgesehen, die am Samstag verabschiedet werden soll. Es ist der Startschuss für eine umfassende Debatte über Reformen, die die EU auch mit demnächst 25 Mitgliedstaaten funktionsfähig halten sollen. In Nizza hatten sich die Länder im Grundsatz auf den Fahrplan zur Osterweiterung der Gemeinschaft verständigt, nun wollen sie über konkrete Schritte beraten. Beim Gipfeltreffen wird hierzu ein sogenannter Konvent eingesetzt, in dem Vertreter der Regierungen und Parlamente der Mitgliedstaaten und Repräsentanten des Europäischen Parlaments und der EU-Kommission sitzen werden. Dieses Gremium soll Optionen für die Reform ausarbeiten, Empfehlungen geben und für mehr Transparenz sorgen.

Wer diesen Konvent leiten wird, ist noch völlig offen. Da wird es noch einmal spannend werden. Am häufigsten genannt werden der frühere französische Staatspräsident Valéry Giscard D'Estaing und der ehemalige Ministerpräsident Italiens, Giuliano Amato. Aber auch andere Namen sind im Gespräch. Neben der Entscheidung über den Konvent-Vorsitzenden gilt die Verteilung von einem Dutzend neuer EU-Behörden auf die Mitgliedsländer als besonders delikat und schwierig.

Erweiterung ungewiss

Über die im Juni in Göteborg gegebene Zusage, dass die ersten neuen EU-Mitglieder an den Wahlen zum Europäischen Parlament 2004 teilnehmen können, wird Laeken voraussichtlich nicht hinausgehen. Die Ankündigung von Ministerpräsident Guy Verhofstadt beim Oktober-Gipfel in Gent, Laeken werde prüfen, welche Kandidaten ihre Verhandlungen bis 2002 beenden könnten, nahm Außenminister Louis Michel schon am nächsten Tag zurück.

Mit dem letzten Punkt des Gipfeltreffens, geht auch die belgische EU-Präsidentschaft zu Ende. Am 1. Januar geht die Führung der EU für ein halbes Jahr auf Spanien über.