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Startschuss für Indiens neue Fußball-Liga

Thomas Latschan10. Oktober 2014

Bislang ist das Riesenland Indien im Fußball ein Zwerg. Eine neue Superliga soll das jetzt ändern – mit internationalen Altstars und Rundumvermarktung. Mittendrin ist auch ein deutscher Profi: Manuel Friedrich.

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Indien Fußball Indian Super League Gruppenfoto
Bild: picture-alliance/AP Photo/Rafiq Maqboo

Anelka, Trézéguet, del Piero, Materazzi, Pirès, Ljungberg – klanghafte Namen, die sich anhören wie eine Champions League-Auswahl aus den Anfängen des 21. Jahrhunderts. Doch die oben genannten Fußball-Stars verbindet nicht nur die Tatsache, dass sie ihre beste Zeit bereits hinter sich haben: Sie alle spielen ab dem 12. Oktober 2014 in Indiens neu gegründeter Profiliga ISL. Und mitten drin ist auch ein Deutscher: Innenverteidiger Manuel Friedrich war in der Bundesliga schon für Mainz 05, Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund aktiv und wird nun für den Mumbai City FC seine Fußballschuhe schnüren. "Ich wollte schon vor anderthalb Jahren unbedingt nach Asien", sagt der 35-Jährige, "aber das war das erste Angebot, bei dem ich das Gefühl hatte, dass die Leute auch wirklich dahinter stehen. Und dann die ganze Ausgangslage: dass das eine komplett neue Liga sein wird, dass diese in einer Art Turnierform stattfinden wird, dass das Hauptziel sein wird, den Fußball hier in Indien attraktiver zu machen, weil der Fußball nun mal nicht der Nummer-1-Sport in dem Land ist. Das ganze Drumherum hat mich einfach beeindruckt."

Neue Liga, alte Stars

Friedrichs neuer Verein ist einer von acht Retortenklubs der neuen Indian Super League (ISL), die als Franchise-Unternehmen willkürlich über das ganze Land verteilt wurden. Sie hören auf so illustre Namen wie "Chennai Titans", "Delhi Dynamos", "Kerala Blasters" oder "Atlético de Kolkata". Und sie verfolgen ein wundersames Konzept: Jeder der Klubs soll von einer internationalen "Fußball-Legende" angeführt werden. Darüber hinaus spielen in jedem Team weitere sieben Ausländer mit. Hinzu kommen 14 Inder – fertig ist der Mannschaftskader. Mäzene der Klubs sind vor allem ehemalige Cricket-Stars, Bollywood-Größen und Industriemagnate.

Fußballer Manuel Friedrich in Mumbai (Foto: dpa)
Hat sich in Mumbai schon gut eingelebt: Manuel FriedrichBild: picture-alliance/dpa/G. Schmidt

Kein Zweifel: Die neu geschaffene Indian Super League (ISL) ist ein totales Kunstprodukt, innerhalb kürzester Zeit von der Vermarktungsgesellschaft IMG und dem Medienimperium von Rupert Murdoch aus dem Boden gestampft, die in Indien das große Geschäft wittert. 1,2 Milliarden Menschen leben auf dem Subkontinent, rund 80 Millionen sollen bei Fußballspielen regelmäßig vor dem Fernseher sitzen – nur verfolgen diese bislang eben keine indischen Spiele, sondern vor allem die europäische Champions League, erklärt Arunava Chowdhury, der Manager von Friedrichs Klub Mumbai City FC. Die neue ISL soll die Inder für den einheimischen Fußball begeistern. Dabei dauert die ganze Saison nur drei Monate. Schon im Dezember steht fest, wer den Meisterpokal in die Höhe recken darf.

"Es hängt natürlich viel davon ab, wie es angenommen wird, wie attraktiven Fußball wir bieten, ob wir die Menschen auch in die Stadien ziehen", erklärt Manuel Friedrich. "Wir haben aber am Sonntag unser Eröffnungsspiel in Kolkata, und da werden direkt einmal 120.000 Leute zugucken. Also, ich glaube schon, dass man da die Stimmung und Vorfreude merken wird, wenn man ins Stadion einläuft", ist der ehemalige deutsche Nationalspieler sicher.

Strukturelle Nachteile für den Fußball

Dabei besitzt Indien schon seit 2007 eine Fußball-Liga. Doch die I-League dümpelt am Rande der Bedeutungslosigkeit vor sich hin: Denn während der Fußball in Kalkutta die Massen elektrisiert, herrscht im Rest des Landes bislang eher Tristesse. Zu den Spielen der I-League verirren sich im Schnitt gerade mal 6000 Zuschauer. Und auch die indische Nationalmannschaft reißt ihre Fans nicht gerade zu Begeisterungsstürmen hin. In der aktuellen FIFA-Weltrangliste liegt Indien auf einem miserablen 158. Platz – zwischen Puerto Rico und Swasiland.

Jugendliche spielen Fußball in Kalkutta (Foto DW/Priya Esselborn)
Fußball in Indien - abseits der großen StadienBild: Durbar Mahila Samanvya Samit

Fußball hat in Indien bislang einen eher schweren Stand. Denn der Lieblingssport der Inder ist und bleibt Cricket. Dem Fußball hingegen fehlten bislang die Sponsoren. Auch die Einschaltquoten im Fernsehen sind eher schlecht. Es gibt kein Talentscouting, keine professionellen Vereinsstrukturen, noch nicht einmal genügend Stadien mit Flutlichtanlage. Viele Spiele der I-League finden deshalb tagsüber statt – bei Temperaturen von mancherorts bis zu 45 Grad bedeutet das eine große körperliche Anstrengung für Spieler und Zuschauer zugleich.

Doch schon in den letzten Jahren ist im indischen Fußball einiges in Bewegung geraten. "Mit der ISL etablieren wir den Fußball in Indien auf einem Spitzenlevel", ist Mumbai-Manager Chowdhury überzeugt. "Gleichzeitig bemüht sich der indische Fußballverband darum, in Zusammenarbeit mit den Regionalverbänden dem Klubfussball im ganzen Land eine professionellere Struktur zu geben. Er baut regionale Nachwuchszentren auf. Auch die Franchise-Klubs der ISL starten jetzt eigene Basisprogramme zur Förderung des Jugendfußballs."

Vorbild J-League?

Die indischen Fußballfans hoffen auf eine ähnliche Entwicklung wie in Japan. Dort spielte der Fußball bis in die 1990er Jahre hinein keine große Rolle – Baseball und Sumoringen standen weit höher im Kurs. Doch dann startete 1993 die Profiliga J. League – mit Franchise-Klubs, Sponsorengeldern und internationalen Altstars, die das Publikum begeistern sollten. Den Status als "Operettenliga" konnte die J. League mittlerweile erfolgreich abschütteln. Stattdessen besticht die Liga heute durch effektive Nachwuchsarbeit, hochmoderne Leistungszentren und auch international erfolgreichen Fußball: Bis 1998 war die japanische Nationalmannschaft bei keiner einzigen Weltmeisterschaft vertreten. Seit 1998 hat sie nicht eine einzige verpasst.

Freundschaftsspiel Indien gegen Bayern München in Delhi 2012 (Foto:ap)
Beim 0:4 im Freundschaftsspiel gegen Bayern München 2012 war Indiens Nationalmannschaft noch chancenlosBild: AP

Arunava Chowdhury warnt allerdings für Indien vor zu hohen Erwartungen. "Es wird sicher mehr als zehn Jahre dauern, bis der indische Fußball ein Level erreicht, mit dem er sich für eine WM qualifizieren könnte", so der Manager. "Der erste Schritt ist, sich überhaupt einmal regelmäßig für die Asienmeisterschaften zu qualifizieren. Erst dann können wir anfangen, auch über höhere Ziele nachzudenken."