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Staubige Angelegenheit

Lydia Heller12. November 2004

Es ist das "Max-Planck-Institut" der Archäologie. Wer als Archäologe etwas auf sich hält, muss dort einmal gearbeitet haben - im Deutschen Archäologischen Institut. Eine 175-jährige Erfolgsgeschichte.

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Noch nie konnte Archäologie so weltumgreifend forschenBild: dpa

Auf dem Boden keine Tonscherben, an den Wänden keine Grundrisse ägyptischer Pyramiden oder uralte Landkarten. Statt Abenteuer-Romantik herrscht in der Zentrale des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) Wissenschaftsatmosphäre. Rund 350 Archäologen arbeiten hier und in den weltweiten Zweigstellen. Ihr gemeinsames Ziel: Die Vergangenheit wieder lebendig werden zu lassen.

Gemeinsame Suche nach dem kulturellem Erbe

Vom Collosseum in Rom zum Beispiel, erzählt DAI-Präsident Hermann Parzinger, glaubte man schon alles zu wissen. Bis Mitarbeiter des Instituts in Rom gemeinsam mit italienischen Bauhistorikern vor einigen Jahren noch einmal anfingen zu graben: "Und da sind ganz fantastische Sachen rausgekommen. Wir haben rekonstruiert, wie Aufzüge aus dem Kellergeschoss die Raubtiere, die dann mit den Gladiatoren kämpfen mussten, nach oben transportiert wurden. Das wusste man zwar schon vorher, dass es das gab, aber wie das technisch durchgeführt wurde, das war zuvor völlig unbekannt."

Basis solcher Erfolge ist vor allem eins: Geduld. Denn nicht nur jede Münze, jedes Knöchelchen wird sorgfältig aus dem Staub gepinselt. Ebenso viel Fingerspitzengefühl erfordert oft die Zusammenarbeit in den internationalen Forscherteams. Denn die meisten Expeditionen, an denen Wissenschaftler des Deutschen Archäologischen Instituts teilnehmen, sind internationale Kooperationen. Dass unterschiedliche Alltagsgewohnheiten und Arbeitsmethoden da zunächst auf einen Nenner gebracht werden müssen, liegt auf der Hand: "Durch die gemeinsame Suche mit ausländischen Kollegen nach historischen Wurzeln, bekommt unsere Forschungsarbeit eine kulturpolitische Dimension," sagt Parzinger.

Kulturpolitisches Engagement

Als Forschungseinrichtung ist das Deutsche Archäologische Institut daher dem Auswärtigen Amt zugeordnet. Die internationalen Expeditionen sind mittlerweile wesentlicher Bestandteil der deutschen auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Eine Tradition, die auf Otto von Bismarck zurückgeht, der 1874 aus dem ehemaligen privaten Gelehrtenverein zum Austausch über Archäologie eine staatliche Forschungseinrichtung machte. "Das hat man schon erkannt, dass sich die frühe Geschichte, nicht immer mit den Staaten deckt, die man dann im 19. Jahrhundert hatte. Die Kelten beispielsweise gehören zur Geschichte Frankreichs, Oberitaliens und Großbritanniens. Völker, die sehr zerstritten waren und blutige Kriege geführt haben. Ich glaube, es war schon ein bisschen der Hintergedanke, dass das Archäologische Institut auch eine Brücke des Verständnisses zwischen den Völkern schlagen kann."

Rund 40 Millionen Euro erhält das Deutsche Archäologische Institut pro Jahr vom Auswärtigen Amt. Davon werden die Zentrale in Berlin und die Auslandsabteilungen unterhalten - für die meisten Forschungsvorhaben allerdings reicht das nicht. Dafür werden Drittmittel beantragt, wie in der Wissenschaft üblich. Überhaupt, so Hermann Parzinger, lege das DAI großen Wert auf seine wissenschaftliche Unabhängigkeit. Ohne politische Neutralität wäre es sicher nicht gelungen, vor vier Jahren wieder als Forscher im Iran zugelassen zu werden - als erste ausländische Wissenschaftler seit der islamischen Revolution vor 20 Jahren.

Forschungsstätten in der ganzen Welt

Sobald es die Situation erlaube, wolle man auch wieder zurück in den Irak, ins Zweistromland, an die Wiege der abendländischen Kultur. Denn Rätsel, sagt Hermann Parzinger, gibt es noch viele: "Noch nie konnte Archäologie so weltumgreifend forschen. Etwa in China, wo wir heute tätig sind, oder damals im Rahmen der Sowjetunion. Das wäre früher gar nicht möglich gewesen, dort zu graben. Es gibt fast kein Land mehr, in dem man nicht tätig sein könnte, wenn man es wollte. Und das ist seit 175 Jahren wirklich zum ersten Mal so. Und ich denke schon, dass das ein Grund ist, das zu feiern."