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Kießling, der Chancenlose?

Jefferson Chase23. Januar 2013

Er ist der Top-Torschütze der Bundesliga, aber wenn es um die Berufung in die Nationalelf geht, bleibt Kießlings Handy stumm. Dabei kommt Bundestrainer Löw am Leverkusener Stürmer eigentlich kaum vorbei.

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Stefan Kießling freut sich über einen seiner Treffer (Foto: Thorsten Wagner/Bongarts/Getty Images)
Stefan Kießling freut sich über einen seiner TrefferBild: Getty Images

Stefan Kießling erzielt ein Tor nach dem anderen. Am 18. Bundesliga-Spieltag in der Partie gegen Eintracht Frankfurt schraubte der Leverkusener seine Saisonbilanz auf 13 Treffer hoch - aktueller Liga-Höchstwert. Und auch die Statistiken der vergangenen Jahre sind mehr als anständig: Keiner hat im Kalenderjahr 2012 öfter getroffen als er. Zudem gehörte er im vergangenen Jahr zu den wenigen Spielern, die gegen alle anderen Erstligisten mindestens ein Tor erzielen konnten. 2010 verpasste er die Bundesliga-Torjäger-Kanone nur um einen einzigen Treffer und wurde Zweiter hinter Wolfsburgs Edin Dzeko. Dank dieser Leistung durfte er mit Deutschland zur WM fahren. Doch dort blieb er dritte Wahl und brachte es lediglich auf zwei Kurzeinsätze. Das Spiel um Platz drei der WM in Südafrika - Kießlings sechstes Länderspiel - markiert daher das bisherige Ende seiner Karriere in der Nationalmannschaft. Woran liegt das?

Verletzt zum falschen Zeitpunkt!

Herbst 2010: Kießling hat seine bis dato beste Bundesliga-Saison absolviert, hat sogar bei der WM gespielt und seinen Vertrag mit Leverkusen verlängert - kurz: Kießlings Welt ist in Ordnung. Doch dann erleidet er am 4. Spieltag einen Syndesmosebandriss und muss sich operieren lassen. Die Ärzte setzen ihm eine Schraube zwischen Schien- und Wadenbein ein. Kießling fällt für fast die gesamte Hinrunde aus. Nach der Winterpause beendet der Stürmer die Saison 2010/2011 mit sieben Toren - keine schlechte Ausbeute angesichts seiner Verletzung.

Der Nürnberger Andreas Wolf (r.) steigt hart gegen Stefan Kießling (l.) ein (Foto: dpa)
Der Nürnberger Andreas Wolf steigt hart gegen Stefan Kießling ein: Der Leverkusener fiel 2010 lange ausBild: picture-alliance/Sven Simon

Als es aber auch zu Beginn der nächsten Saison bei ihm nicht sofort rund läuft, entsteht der Eindruck, Kießlings Pulver sei verschossen. Seine Situation verschlechtert sich noch, weil Mario Gomez zu Höchstform aufläuft. Ende 2011 stehen für den Bayern-Knipser 28 Bundesliga-Treffer und 39 Tore insgesamt zu Buche. Gleichzeitig erlebt Löw-Favorit Miroslav Klose einen zweiten Frühling bei Lazio Rom. Und da der Nationaltrainer keine drei klassischen Mittelstürmer im Kader braucht, landet Kießling auf dem Abstellgleis.

Fit zum falschen Zeitpunkt?

In dieser Spielzeit ist die Konstellation genau umgekehrt: Jetzt ist Gomez derjenige, der verletzt war und seinen Platz in der Startelf von Bayern München zurückerobern muss. Kießling dagegen schießt Tore am laufenden Band und ist einer der Hauptgründe, weshalb Bayer Leverkusen auf den zweiten Tabellenplatz geklettert ist. Folgerichtig mehrt sich die Zahl seiner Fürsprecher, auch in den Medien: "Andere Fußballer werden berühmt, weil sie in die Nationalmannschaft berufen werden, Kießling bekam Beachtung, weil er mal wieder nicht in die Nationalmannschaft berufen wurde", schreibt die "Süddeutsche Zeitung".

Anlass war das Freundschaftsspiel Deutschland gegen die Niederlande im vergangenen November. Damals fehlten sowohl Klose als auch Gomez verletzt, trotzdem hielt es Bundestrainer Löw nicht für nötig, den besten Bundesliga-Torjäger zu berufen. "Ich registriere seine guten Leistungen in Leverkusen absolut", sagte Löw damals. "Stefan Kießling ist ein treffsicherer Spieler. Er ist nicht in Vergessenheit geraten."

"Tierisch genervt"

Die Leverkusener Michal Kadlec (l.-r.), Stefan Kießling und Eren Derdiyok stehen nach einem Spiel enttäuscht auf dem Platz (Foto: Federico Gambarini dpa/lnw)
Stefan Kießling: zu ungelenk für die Nationalelf?Bild: picture-alliance/dpa

Kießling gilt als fleißig, aber ungelenk – ein etwas unfairer Ruf. Keiner wird ihn mit Robin van Persie verwechseln, aber seine Effizienz erinnert an Löws ehemaligen Boss, Jürgen Klinsmann – ein überaus erfolgreicher "uneleganter" Stürmer. Dazu kann Kießling im Alter von 29 Jahren mittlerweile Spiele sehr gut lesen und auch die Torquote des zweifachen Familienvaters stimmt. "Es nervt mich tierisch", knurrte Kießling – angesprochen auf die konsequente Nichtberücksichtigung durch Löw auf der Webseite bundesliga.de. "Was soll ich noch großartig dazu sagen? Ich habe gelesen, er habe mich 'registriert'. Das ist schön. Alles andere kann ich nicht beeinflussen. Ich versuche, meine Leistung auf dem Platz abzurufen."

Joachim Löw hat seine schwammige Aussage zu Kießling mittlerweile erneuert. Ende Mai steht eine Nationalmannschaftsreise in die USA an. Allerdings werden vielbeschäftigte Stammspieler dort eine Pause erhalten – andere Spieler sollen nachrücken. Vielleicht auch Kießling? "Wir haben immer gesagt: Wir schauen, dass wir Spieler auswählen, die in unsere Vorstellungen vom Fußball passen, unabhängig von einzelnen Namen", sagte Joachim Löw am Rande der Trainertagung mit allen Bundesliga-Coaches am vergangenen Montag in Düsseldorf. "Dass Stefan Kießling natürlich auch ein hervorragender Spieler ist, ist völlig klar.“ Ein klares Bekenntnis hört sich anders an. Und das, obwohl sich die Stimmen mehren, die meinen, Kießling solle nicht nur im Sommer an den beiden Freundschaftsspielen in Amerika teilnehmen dürfen. Vielmehr solle er schon jetzt eine viele größere Rolle in Deutschlands Vorbereitungen für die WM 2014 spielen.