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Steht der tschechisch-deutschen Wirtschaftskooperation eine interkulturelle Welle bevor?

27. Dezember 2002
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Prag, 25.12.2002, RADIO PRAG, deutsch, Silja Schultheis

Nach den Spuren deutscher Firmen, die in Tschechien Tochterunternehmen gegründet haben, muss man nicht lange suchen. Doch haben Sie sich einmal gefragt, wie es eigentlich hinter den Kulissen dieser Unternehmen aussieht, wie deren Mitarbeiter eigentlich auf die Zusammenarbeit mit tschechischen Partnern vorbereitet werden? Welche kulturellen Unterschiede hier zum Tragen kommen, welche Missverständnisse entstehen und wie mit ihnen umgegangen wird? Diesem interkulturellen Bereich wird in der deutsch-tschechischen Kooperation kleinerer und mittlerer Unternehmen bislang vielfach eine eher untergeordnete Bedeutung beigemessen. Wir wollen Ihnen im folgenden am Beispiel eines tschechisch-deutschen Pilotseminars zum gemeinsamen Projektmanagement einen Einblick vermitteln, wie die Vorbereitung deutscher und tschechischer Firmenpartner auf den alltäglichen Kontakt am Arbeitsplatz aussehen kann. Das Wort hat meine Kollegin.

Der Erfolg wirtschaftlicher Zusammenarbeit wird in Deutschland gemeinhin auf der Grundlage unterschiedlicher Statistiken und Bilanzen gemessen, die zum Jahresende gezogen werden. Fallen sie positiv aus, gilt die Zusammenarbeit als erfolgreich. Doch wendet man diese Regel auf die tschechisch-deutsche Firmenkooperation an, stößt man hier bereits auf das erste interkulturelle Problem. Denn entscheidend für die Definition von Erfolg ist bei den Tschechen zunächst eine ganz andere Dimension. Ivan Novy, Professor für Psychologie und Soziologie im Management an der Prager Wirtschaftsuniversität:

"Auf der tschechischen Seite hat Erfolg eine viel breitere Bedeutung. Erfolg heißt, angenehme Beziehungen in der Arbeit zu haben, Erfolg bedeutet auch eine angenehme Atmosphäre. Und diese 'soft factors' sind meiner Meinung nach auf dem ersten Platz. Und erst dann können die Leute als Erfolg die finanziellen Ergebnisse, die Qualität des Produkts und die anderen sachlichen Faktoren nennen. Und die deutsche Seite unterschätzt meiner Meinung nach die soft skills, die soziale Kompetenz der Führungskräfte. Und deshalb sind die tschechischen Mitarbeiter nicht nur unzufrieden in der Firma, sondern bringen auch nicht eine solche Leistung, wie sie die deutsche Seite erwartet."

Ivan Novy führt seit Jahren mit seiner deutschen Kollegin Sylvia Schroll-Machl gemeinsam interkulturelle Trainings für viele namhafte Firmen durch, die im tschechisch-deutschen Bereich tätig sind. Dabei haben beide die Beobachtung gemacht, dass die tschechischen und deutschen Geschäftspartner oft bereits mit einer völlig unterschiedlichen Erwartungshaltung an die gemeinsame Zusammenarbeit herangehen. Das weit verbreitete Selbstverständnis der Deutschen bringt Novy dabei auf die folgende Formel:

"Wir investieren hier, wir bringen die Technologie, das gesamte Know how, wir bringen die Kunden, die Lieferanten, und was wollen die Tschechen noch weiter. Und erwarten, dass die Tschechen einfach in die Firma kommen und von früh bis nachmittags einfach arbeiten."

Bei den Tschechen hingegen, so Novy, stößt so eine Einstellung von vornherein auf eine Art Blockade-Haltung, da sie sich sagen:

"Wenn Sie alles wissen, wenn Sie alles haben, wenn Sie so klug sind - dann machen Sie das selbst." (...)

Wagen wir abschließend mit Ivan Novy von der Prager Wirtschaftshochschule eine kleine Prognose: Wie wird sich die tschechisch-deutsche Firmenkooperation wohl nach der EU-Erweiterung im Mai 2004 verändern?

"Also, ich habe eine kleine Hypothese. Meiner Meinung nach bleibt die Konkurrenz, der Wettbewerb und die Zusammenarbeit zwischen deutschen und tschechischen Firmen auf der Produktionsebene gleich, diese Tendenz ist schon jetzt sehr stark. Aber es werden mehr deutsche Firmen nach Tschechien kommen, die Dienstleistungen anbieten. Die Konkurrenz bei den Dienstleistungen wird in Tschechien stärker, hier gibt es noch viele, viele Möglichkeiten für Investoren. Und meiner Meinung nach sind die kulturellen Unterschiede im Dienstleistungssektor noch viel wichtiger als in der Produktion (...)"

Und was würde Ivan Novy den deutschen Firmen, die sich neu nach Tschechien ausweiten wollen, empfehlen, damit sie am Ende des Jahres auf eine - sowohl aus deutscher als auch aus tschechischer Sicht - erfolgreiche Bilanz zurückblicken können?

"Verlassen Sie sich nicht nur auf die Informationen über Arbeitslosigkeit, Bruttoinlandsprodukt oder Lohnniveau. Sondern stellen Sie auch diese Kulturunterschiede fest, denn das hilft Ihnen - besonders am Anfang. Sie können eine viel größere Leistung von den Tschechen bekommen und zweitens schützen Sie sich dadurch vor vielen Enttäuschungen." (...) (fp)