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Steinmeier mahnt und lobt

19. April 2016

Der Bundesaußenminister warnt den Nachbarn vor Abschottung und Angst-Debatten. An historischer Stelle erinnert er an einen bitteren Moment der deutsch-polnischen Geschichte.

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Polen Warschau Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und Witold Waszczykowski
Bild: Getty Images/AFP/J. Skarzynski

Bei seinem Besuch in der polnischen Hauptstadt Warschau sprach Frank-Walter Steinmeier von "einer Reihe von Herausforderungen", vor denen Europa derzeit stehe. Doch das Schüren von Ängsten und eine Abschottung gegen Fremde seien keine Lösung, so der deutsche Chefdiplomat.

"Manche Leute haben ganz einfache Antworten parat: Abschotten, Abgrenzen, Einigeln", sagte Steinmeier vor dem deutsch-polnischen Forum in Warschau. Leider gebe es solche Stimmen auch unter Deutschen und Polen - und nicht nur dort: Ausdrücklich bezog er den republikanischen US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump in die Kritik ein, den er namentlich erwähnte.

Die hohe Kunst der Diplomatie

Die Beziehungen zwischen Berlin und Warschau sind in jüngster Zeit immer wieder durch gegenseitige Vorwürfe belastet worden. Der Vorsitzende der polnischen Regierungspartei PiS ("Recht und Gerechtigkeit"), Jaroslaw Kaczynski, hatte am Wochenende in einem Interview Kritik an Polen zurückgewiesen und gesagt, dass in Wahrheit die Demokratie in Deutschland liquidiert worden sei und dass hier diktatorische Zustände herrschten.

Der polnischen Regierung wird in der Europäischen Union vorgeworfen, das Verfassungsgericht und die Medienfreiheit beschränken zu wollen. Der deutsche Außenminister Steinmeier vermied beim Treffen mit seinem Amtskollegen Witold Waszczykowski direkte Kritik, erinnerte aber an die erste polnische Verfassung von 1791. Diese habe die Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung beinhaltet, sagte Steinmeier. "Dies sind tiefverwurzelte polnische und europäische Verfassungsprinzipien - und sie sollten es bleiben."

Differenzen in der Flüchtlingspolitik

Beide Außenminister betonten, dass es zur Bekämpfung der aktuellen Flüchtlingskrise in Europa vorrangig wichtig sei, die Fluchtursachen in den Herkunftsländern zu bekämpfen. Aber damit endete die Übereinstimmung auch schon. Die Regierung in Warschau ziert sich weiter, die nach dem EU-Verteilungsschlüssel zugewiesenen 7000 syrischen Flüchtlinge aufzunehmen. Bundesaußenminister Steinmeier forderte dagegen erneut mit Nachdruck die "Rückkehr zur europäischen Lösung".

Außerdem dringt Polen auf eine ständige Stationierung von NATO-Truppen an der Ostgrenze des Bündnisses. Ein solches Ansinnen lehnt die Bundesregierung aber mit Hinweis auf die NATO-Russland-Grundakte ab. Im Juli findet in Warschau der nächste NATO-Gipfel statt.

Ghetto Helden Monument Jahrestag Gedenktag Warschau Ghetto
Gelbe Osterglocken als symbolische Erinnerung an die Leiden der Juden im Warschauer GhettoBild: picture-alliance/dpa/T.Gzell

Erinnerung an Ghetto-Aufstand

Zuvor hatte Steinmeier an die mehreren Hunderttausend jüdischen Opfer des Warschauer Ghettos erinnert und einen Kranz am zentralen Mahnmal niedergelegt. Vor genau 73 Jahren, am 19. April 1943, hatte der Aufstand gegen die deutschen Besatzer begonnen. Von den fast 500.000 Menschen, die von den Truppen Hitlers im Warschauer Ghetto zusammengepfercht wurden, überlebten nur wenige.

Als Zeichen des Gedenkens trugen viele Menschen in Warschau am Dienstag gelbe Osterglocken. Die Blumen sollen an den Judenstern von damals erinnern.

An gleicher Stätte hatte 1970 der damalige Bundeskanzler Willy Brandt niedergekniet. Der "Kniefall von Warschau" gilt als einer der wichtigsten Momente in der Aussöhnung zwischen Deutschen und Polen.

mak/rb (rtr, dpa)