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Steinzeitliches Massaker

20. Januar 2016

Eingeschlagene Schädel, gebrochene Rippen, zertrümmerte Handgelenke: In der Steinzeit ging es schon heiß her. Forscher haben am Turkana-See in Kenia Spuren einer grausamen Schlacht entdeckt - und rätseln über die Gründe.

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Ausgrabungen in Kenia (Foto: dpa).
Bild: picture-alliance/dpa/Marta Mirazon Lahr

Die menschlichen Überreste, die in der Nähe des Turkana-Sees gefunden wurden, deuten auf mindestens 27 Menschen hin. Das berichten Wissenschaftler im Fachmagazin "Nature".

Zwölf Skelette seien noch gut erhalten. Zehn davon wiesen klare Zeichen von tödlicher Gewalt auf. Besonders schauerlich: Auch eine Hochschwangere war offenbar unter den Opfern. Ihre Hände und Füße waren womöglich zusammengebunden.

Die Getöteten seien nicht begraben worden, berichtet das Team um Marta Mirazón Lahr von der Universität Cambridge, Großbritannien. Den Spuren nach seien mehrere von ihnen damals in eine Lagune des Sees gefallen oder gestoßen worden. Inzwischen ist sie längst ausgetrocknet ist. Im Sediment wurden die Knochen der 21 Erwachsenen - darunter mindestens acht Frauen und sechs Kinder - bis zu ihrer Entdeckung 2012 konserviert.

Die Ausgrabungsstätte Nataruk befindet sich westlich des Turkana-Sees im Norden Kenias.

Ausgrabungen in Kenia (Foto: dpa).
Dieses Skelett eines Mannes weist eine stumpfe Verletzung an der linken Schädelseite auf und eine Wunde am Halswirbel, die auf eine Pfeilspitze schließen lässtBild: picture-alliance/dpa/Marta Mirazon Lahr

Mögliche Gründe für die Auseinandersetzung

Die Forscher vermuten, dass die Gruppe eines Jäger-und Sammler-Volkes - wahrscheinlich ein Familienverband - am Ufer der Lagune von einem rivalisierenden Clan angegriffen wurde. Ob die Begegnung zufällig war oder es in einem Streit um Land und Ressourcen ging, sei jedoch unklar. Möglich wäre es, da der Ort zu dieser Zeit noch gute Lebensbedingungen bot: Trinkwasser und Fische befanden sich in direkter Nähe zum Lager.

Es lasse sich allerdings auch nicht mit Bestimmtheit sagen, ob es sich um einen Konflikt zwischen zwei Gruppen oder eine Auseinandersetzung innerhalb einer größeren Gruppe handele.

Funde wie diese seien wertvoll und selten, betonen die Forscher. Denn sie lassen Rückschlüsse darauf zu, dass es Kriege und Auseinandersetzungen nicht erst seit den Zeiten der sesshaften Ackerbauern gegeben hat.

Überraschend war wohl, dass diesmal offenbar auch Frauen und Kinder unter den Opfern waren. Normalerweise seien sie verschont und in die Gruppe der Sieger integriert worden. Nur unterlegene Männer wurden getötet.

Ähnlichkeiten zu früheren Funden

Im letzten Jahr hatten Forscher im Fachblatt "PNAS" (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America) über ein Massengrab im hessischen Schöneck-Kilianstädten in der Nähe von Frankfurt am Main berichtet. Dort wurden die Überreste von 26 Menschen entdeckt, die während der Jungsteinzeit - vor etwa 7000 Jahren - gefoltert und erschlagen worden waren. Die Funde ließen sich allerdings nur bedingt vergleichen, so die Forscher. Im Denn im Gegensatz zu dem neuen Fund lässt der letzte auf einen Konflikt zwischen Menschen schließen, die sesshaft waren.

Der Anthropologe Christian Meyer, der an den Funden nahe Frankfurt beteiligt war, ist von den Ergebnissen der aktuellen Studie vor allem aufgrund von einer Pfeilspitze überzeugt. Sie steckte noch in einem der Knochen. "Das ist der sicherste Beleg für gezielte Gewalt oder kriegsähnliche Geschehnisse in diesem Kontext." Dass es sich um eine gewaltsame Auseinandersetzung gehandelt habe, sei eine logische Schlussfolgerung. "Solange es Menschen gibt, die Gruppen bilden und eine Gruppenidentität haben, so lange wird es auch Konflikte geben - egal ob vor zehn oder 10.000 Jahren."

hf/gh (dpa)