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"Präsident Xi geht äußerst geschickt vor"

Matthias von Hein30. Juli 2014

In China hat Präsident Xis Anti-Korruptionskampagne die höchsten Kreise erreicht. Mit echter Transparenz habe das aber wenig zu tun, sagt Matthias Stepan im DW-Interview.

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Matthias Stepan, Ko-Leiter Forschungsbereich Politik des Mercator Instituts of China Studies (MERICS) in Berlin (Foto: Marco Urban)
Bild: Marco Urban

Deutsche Welle: Mit Zhou Yongkang wird jetzt ein Korruptionsverfahren gegen ein ehemaliges Mitglied des ständigen Ausschusses des Politbüros eingeleitet. Wie oft in der Vergangenheit wurden Funktionäre der höchsten politischen Ebene angeklagt?

Matthias Stepan: Es ist in der Tat das erste Mal in der Geschichte der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), dass ein Disziplinarverfahren wegen Korruption gegen ein ehemaliges Mitglied des Ständigen Ausschusses des Politbüros eingeleitet wurde. Zhou Yongkang zählte bis Ende 2012 zu diesem Kreis der neun mächtigsten und einflussreichsten Männer der KPCh.

Chinas Präsident Xi Jinping hatte ja den Kampf gegen die Korruption frühzeitig zu einem seiner Schwerpunkte erklärt. Wie reagiert die chinesische Bevölkerung auf die jüngsten Enthüllungen und darauf, dass die Korruption bis in die höchste Spitze der KP reicht?

In der chinesischen Bevölkerung gab es schon seit langem den Verdacht, dass die Korruption bis in die höchsten Kreise reichen würde. Mit der Lancierung der Anti-Korruptionskampagne vor mittlerweile anderthalb Jahren verfolgte Xi Jinping daher eine riskante Strategie, die zum Legitimitätsverlust der Partei hätte führen können. Bei der Umsetzung der Kampagne geht Xi Jinping jedoch äußerst geschickt vor. Ein Großteil der Bevölkerung befürwortet Xis konsequentes Vorgehen gegen die schwarzen Schafe innerhalb der Partei, was nicht zuletzt zur Stärkung seiner Position an der Spitze der Partei beigetragen hat.

Wie wurde die Bevölkerung darauf vorbereitet, dass bis in den ständigen Ausschuss des Politbüros hinein ermittelt wird?

Obgleich schon früh klar war, dass die Untersuchungen bis hinauf ins Politbüro reichen würden, machte Xi Jinping Zhou Yongkang nicht direkt zur Zielscheibe der Kampagne. Stattdessen ermittelten die Behörden zuerst gegen enge Weggefährten Zhous und dessen Familienmitglieder. Auf diese Weise bereitete man die Bevölkerung schrittweise darauf vor, dass die Ermittlungen bis in die höchsten Ebenen führen würden. In Chinas sozialen Medien wurde seit langem über Zhous potentielle Festsetzung gemutmaßt.

Was genau wirft man Zhou Yongkang denn eigentlich vor?

Offiziell stehen Vorwürfe gegen ihn wegen schwerwiegender Verstöße gegen die Parteidisziplin im Raum. Hierunter werden verschiedenste Tatbestände zusammengefasst. Es wird unter anderem über Korruption und Vorteilsnahme im Amt spekuliert. Vor seiner Zeit als Chef des Staatssicherheitsapparates war Zhou unter anderem in höchsten Funktionen bei der China National Petroleum Corporation tätig und soll in dieser Zeit ein enormes Privatvermögen angehäuft haben. Ehemalige Untergegebene aus dieser Zeit wurden bereits festgenommen.

Einerseits spielt die Korruptionsbekämpfung für Xi Jinping eine wichtige Rolle, andererseits lässt er Aktivisten der Zivilgesellschaft ins Gefängnis sperren, die nichts anders fordern als die Offenlegung der Vermögensverhältnisse von Funktionären. Wie passt das zusammen?

Allein die Forderung nach einer Offenlegung der Vermögensverhältnisse von Funktionären reicht in China sicherlich nicht aus, um die Festsetzung von Einzelpersonen zu veranlassen. Es muss allerdings festgehalten werden, dass die Parteiführung den Anti-Korruptionskampf als ihr exklusives Instrument betrachtet. Sie bestimmt, wer zu welchem Zeitpunkt in den Blickpunkt der Untersuchungsbehörden gerät. Somit kann das Instrument nicht nur zum Ausschalten von unliebsamen politischen Gegnern, sondern generell zur Disziplinierung der Partei eingesetzt werden. An einer transparenten, unabhängigen Untersuchung von Korruptionsvorwürfen ist auch Xi Jinping nicht gelegen.

Matthias Stepan ist Ko-Leiter am Forschungsbereich Politik des Mercator Instituts of China Studies (MERICS) in Berlin.