1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Steuerhinterziehung

1. Februar 2010

Die Bundesregierung will offenbar gestohlene Kontodaten kaufen, um damit Steuersündern auf die Schliche zu kommen. In Berlin ist darüber ein Streit entbrannt. Folgt nach der Liechtenstein-Affäre jetzt ein neuer Skandal?

https://p.dw.com/p/LojT
Symbolbild Steueroase Schweiz
Bild: bilderbox / AP / DW Montage

Der Fall hat das Zeug zum Wirtschaftskrimi. Seit den deutschen Behörden eine CD mit Schweizer Kontodaten von 1500 mutmaßlichen deutschen Steuerflüchtlingen angeboten wurde, hat das Wörtchen Moral in der politischen Debatte wieder Hochkonjunktur. Darf ein Staat offensichtlich gestohlene Informationen kaufen – um sie dann auch noch in Strafverfahren gegen Beschuldigte einzusetzen? Oder wird der dadurch selbst zum Informations-Hehler? Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte dazu am Montag (01.02.2010), es sei ganz klar, dass man Steuerhinterziehung ahnden müsse. "Und zu diesem Zweck sollte alles versucht werden, um an diese Daten heranzukommen." Dazu müssten Gespräche geführt werden, die den Weg ebnen. "Aber vom Ziel her sollten wir, wenn diese Daten relevant sind, in den Besitz dieser Daten kommen."

Steuerformular (Bild: dpa)
Ist der Ehrliche am Ende der Dumme?Bild: picture-alliance/ dpa

"Informationen muss man nachgehen"

Eine Ansicht, die Dieter Ondraczek, Vorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft und wohl der bekannteste deutsche Steuerfahnder, ohne Wenn und Aber unterstützt: "Das ist auch keine Hehlerei, wie angeklungen ist, sondern es gibt Informationen über Straftaten, in diesem Fall über 1500 Täter. Und es wäre sträflich wenn man diese Informationen nicht annähme. Dass dafür Geld bezahlt werden müsse, sei eine andere Sache. "Aber den Informationen muss man nachgehen.“

Im vorliegenden Fall sollen die brisanten Datensätze laut "Financial Times Deutschland" von Rechnern der britischen Großbank HSBC stammen. Der 37-Jährige Informatikspezialist Herve Falciani soll hinter dem Angebot stecken. Ein ähnliches Angebot habe er den französischen Behörden bereits im vergangenen August unterbreitet. Damals sprachen die von 130.000 Datensätzen von Kunden aus aller Welt. Eine Zahl, die von der betroffenen Bank auf zehn revidiert wurde. Eine erste Stichprobe soll ergeben haben, dass dem Staat ein Steuersegen von 100 Millionen Euro winken könnte.

Spiel mit dem Feuer

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar (Bild: dpa)
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter SchaarBild: picture-alliance/ dpa

Doch ganz gleich ob es nun zehn oder 130.000 Steuerflüchtlinge seien, die durch einen Kauf dingfest gemacht werden könnten, sagt Peter Schaar. Das Ganze sei ein Spiel mit dem Feuer – so der oberste deutsche Datenschützer gegenüber DW-WORLD.DE. Letztlich führe das dazu, dass überall auf der Welt Daten gestohlen und dann meist bietend verkauft würden. Er könne sich zum Beispiel vorstellen, dass jemand auf die Idee komme, die Daten von Polinnen, die in Deutschland abtreiben, verbotenerweise nach polnischem Recht, den polnischen Strafverfolgungsbehörden zu melden. Zudem verweist Schaar auf chinesische Dissidenten, die darauf vertrauen müssen, dass die Daten auf Servern im Ausland sicher sind und dass sie eben nicht verkauft werden an die chinesischen Behörden. "Diese Datendealer sind skrupellos. Und diese Geschäftsmodelle dürfen nicht befördert, sondern sie müssen bekämpft werden.“

Rechtsstaatliche Abkommen als besserer Weg

Steuerhinterziehung müsse mit rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft werden, sagt Peter Schaar mit Nachdruck: Und rechtsstaatlich sei es, das aktuell verhandelte Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz weiter voranzutreiben. Darin sollten dann auch klare Regeln über den Austausch geheimer Bankdaten vereinbart werden. Nach massivem internationalem Druck hatte die Schweiz im März 2009 ihr Bankgeheimnis gelockert. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD hatte ihr damals gedroht, auf eine schwarze Liste der Steueroasen zu kommen. Erst danach folgten Zugeständnisse der Schweiz.

Symbolbild Steuerparadies (Grafik: DW)
Bald keine Steuerparadiese mehr?

Berlins Finanzsenator Ulrich Nussbaum sieht aber nicht nur das Nachbarland Schweiz in der Pflicht. Auch Deutschland müsse bei der Verfolgung von Steuerflüchtlingen noch seine Hausaufgaben machen: "Man muss ja nicht gleich mit der Kavallerie einmarschieren. Aber ich finde, man kann mit der Schweiz ein ordentliches Verfahren verabreden, wie man an solche Daten kommt."

Vorbild Liechtenstein-Affäre

Bereits 2008 diskutierte Deutschland mehrere Wochen über das Thema Steuerhinterziehung. Damals waren gestohlene Daten zu deutschen Steuersündern vom deutschen Geheimdienst BND im Fürstentum Liechtenstein angekauft worden. Der Preis: Fünf Millionen Euro. Der aktuell vorliegende Fall soll ähnlich wie die Steueraffäre Liechtenstein gelöst werden – nur zum halben Preis. Ist der Staat also doch ein Hehler? Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sieht das entspannter, weil der Staat sich ja nicht unrechtmäßig bereichern wolle. "Aber er fördert die Hehlerei, und der Tatbestand ist nahe da dran. Und ich denke mal, Rechtsstaaten sollten sich hüten, in eine solche Nähe zu einem unrechtmäßigen Tun zu geraten."

Autor: Richard Fuchs
Redaktion: Henrik Böhme