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"Steuervereinfachung und Bürokratieabbau"

28. September 2009

Nach der Bundestagswahl löst Schwarz-Gelb Schwarz-Rot ab. Dass die als wirtschaftsfreundlich geltenden Liberalen mitregieren, löst in der Wirtschaft Freude aus. DW-WORLD.DE sprach mit Anton Börner, Präsident des BGA.

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Anton Börner, Präsident des BGA (Foto: anemel)
Anton Börner, Präsident des Bundesverbandes des Groß- und Außenhandels (BGA)Bild: anemel

DW-WORLD.DE: Herr Börner, Schwarz-Gelb gilt als Wunschkoalition der Wirtschaft. Das heißt, Sie freuen sich über das Wahlergebnis?

Anton Börner: Ja, ich freue mich über das Wahlergebnis. Vor allem, weil es eine klare Wähleraussage gegeben hat. Wir erwarten, dass die Koalitionsverhandlungen sehr zügig gehen. Das Ergebnis ermöglicht eine stabile Regierung, in der Wachstumsimpulse doch deutlich Niederschlag finden sollten. Das ist eine gute Nachricht, nicht nur für die Wirtschaft, sondern vor allem auch für alle Menschen in diesem Land. Wenn es mehr Wachstum gibt, gibt es mehr Wohlstand und mehr Sicherheit für die Zukunft.

Welche Impulse für die Wirtschaft erhoffen Sie sich denn von der Koalition aus Union und FDP?

Wir setzen darauf, dass der Staat weniger in die unternehmerische Entscheidung hinein regieren wird. Das heißt, mehr unternehmerische Freiheit, mehr Flexibilität, mehr Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten. Dadurch werden wir auch überproportional von einem weltwirtschaftlichen Wachstum profitieren. Das wird diesen Standort stärken. Wir glauben und hoffen, dass wir endlich eine Steuervereinfachung und Bürokratieabbau bekommen und dass alles in die Richtung läuft, dass sich unternehmerisches Handeln wieder lohnt. Dann denken wir auch für die Leistungsträger in diesem Land, dass die kalte Progression etwas reduziert wird, so dass dann wieder mehr Netto vom Brutto bleibt. Das wird dann natürlich auch die Binnenwirtschaft entsprechend stützen.

Erwarten Sie auch eine Steuersenkung, die die FDP und Teile der Union während des Wahlkampfes versprochen haben?

Wir sehen auch, dass für große Steuersenkungen derzeit wohl kaum Spielraum ist. Ich erwarte aber schon, dass dieser Mittelstandsbauch, also die kalte Progression, entschärft wird. Auf der anderen Seite glaube ich, dass man das wieder gegenfinanziert. Entscheidend wird sein, sich jetzt auch noch einmal genau die Ausgabenseite anzuschauen.

Das heißt, Sie sind im Grunde nicht für eine Steuersenkung, auch wenn sie die Wirtschaft entlasten könnte?

Für uns ist das Thema Steuervereinfachung wichtiger als jetzt das Senken von einigen Prozentpunkten. Allerdings ist es ökonomisch völlig unsinnig, dass man Kostenbestandteile besteuert. Wir brauchen dort eine signifikante Änderung. Man sieht das gerade in dieser Wirtschaftskrise, dass dadurch die Arbeitsplätze noch eher gefährdet werden, wenn man Steuern bezahlen muss, obwohl man Verluste macht und dann noch zusätzlich Liquidität abfließt. Wir denken auch, dass man jetzt in der Krise erkannt hat, dass die Erbschaftssteuer so wie sie im Moment steht, nicht bleiben kann. Auch das gefährdet Arbeitsplätze.

Können Sie das etwas näher erläutern? Was möchten Sie geändert sehen?

Bei der Erbschaftssteuer haben wir diese lange Haltfrist, die wir für nicht durchführbar halten. Wir haben auf der einen Seite Bewertungsvorschriften, die völlig an der Realität vorbeigehen. Das heißt, es kommen viel zu hohe Werte heraus. Wenn man bestimmte Voraussetzungen erfüllt, wie beispielsweise die Mitarbeiterzahl in den nächsten zehn Jahren auf 75 Prozent zu halten, kann man die Erbschaftssteuer auch abschmelzen. Die Krise zeigt aber, dass das ein Unternehmen nicht durchhalten kann. Das kostet Arbeitsplätze, schwächt auch die Ertrags- oder die Leistungsfähigkeit der Unternehmen. Und was man auch sehen muss: Die gefühlte Steuerbelastung führt bei den Unternehmern zu einem erheblichen Motivationsschwund.

Trotz aller Freude, die in der Wirtschaft jetzt über das Zustandekommen der Wunschkoalition herrschen mag, befinden wir uns ja immer noch in der schwersten Wirtschaftkrise seit 80 Jahren. Was muss die neue Regierung aus Ihrer Sicht dringend tun, damit aus den zarten Pflänzchen der Erholung ein dauerhafter Aufschwung wird?

Um einen dauerhaften Aufschwung zu bekommen und neue Arbeitsplätze nennenswert zu schaffen, ist das Allerwichtigste, dass es nicht zu einer Kreditklemme kommt. Dieses Thema ist zurzeit noch völlig ungelöst. Wir haben diesen prozyklischen Mechanismus von Basel II. Das heißt, wenn die Bonität der Unternehmen schwindet, muss die Bank überproportional viel Eigenkapital zur Verfügung stellen. Und in der Krise ist es logisch, dass die Bonität der Unternehmen schlechter wird. Die Banken müssen wesentlich mehr Eigenkapital vorhalten. Dieses Eigenkapital ist nicht vorhanden, und wir befürchten zu Recht, dass es dann zu einem Beschneiden der bestehenden Kreditlinien kommt. Das wäre absolut kontraproduktiv. Hinzu kommt: wenn wir in einen beginnenden Aufschwung hineinkommen, brauchen wir mehr Kredite, um den Aufschwung vorfinanzieren zu können. Deswegen brauchen wir ganz dringend Lösungsansätze.

Die Lösung, die wir vorgeschlagen haben, heißt Wiederbelebung des Verbriefungsmarktes. Das bedeutet: die Banken müssen die Möglichkeit haben, Kredite, die sie an Unternehmen in Deutschland gegeben haben, auszulagern - mit andern Worten: sie in Wertpapiere umzuwandeln. Das geht nicht von selbst, weil die Investoren zurzeit sehr zurückhaltend sind. Also muss der Staat hier quasi als Bürge für einige Tranchen oder für einige Prozentpunkte geradestehen, um diesen Markt wieder zu aktivieren. Ich erwarte von der neuen Bundesregierung, dass das ganz schnell geht, weil wir wenig Zeit zu verlieren haben. Hier zählt jede Woche, und das ist die vordringlichste Aufgabe, die wir lösen müssen.

Das Interview führte Zhang Danhong

Redaktion: Rolf Wenkel