1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Die Oromo in Äthiopien

Ludger Schadomsky17. Dezember 2015

Es ist die Angst um ihr Land, die viele Oromo in Äthiopien seit Wochen auf die Straßen treibt. Wer sind die Oromo und welche Erfahrungen dieser Volksgruppe stecken hinter den Protesten? Ein Überblick.

https://p.dw.com/p/1HPIH
Äthiopien Oromo /Foto: AFP)
Bild: Getty Images/AFP/A. Maasho

Seit Wochen liefern sich Oromo-Demonstranten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften um die Ausweitung der Hauptstadt Addis Abeba, die die Oromo in der eigenen Sprache lieber "Finfinnee" nennen. Die Gewalt ist ein neuer Höhepunkt in dem seit Jahrzehnten angespannten Verhältnis zwischen der Regierung und der zahlenmäßig größten Volksgruppe Äthiopiens. Obwohl jeder Dritte der 95 Millionen Einwohner ein Oromo ist, hinkt die politische Repräsentanz der "Oromoo", wie sie sich selbst bezeichnen, im Vielvölkerstaat Äthiopien hinterher.

Historisch von den herrschenden Volksgruppen Äthiopiens abschätzig "Galla" genannt, expandierten die Viehzüchter und Bauern aus ihrem ursprünglichen Siedlungsgebiet in Südäthiopien im 16. und 17. Jahrhundert in den Westen und Osten des Landes. Dort nahmen sie Sprache und Kultur der dort lebenden christlichen Bauern an. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts annektierte Kaiser Menelik II. weite Teile des Siedlungsgebiets der Oromo. Die dort lebenden Bauern mussten in der Folge ihren neuen Herren Abgaben entrichten - so entstanden tiefsitzende Ressentiments gegen die als Herrscherkaste empfundene Volksgruppe der Amharen.

Zur Unterwerfung der verschiedenen Oromovölker durch zahlenmäßig kleinere Volksgruppen trug schon damals ein Faktor bei: dass sich die verschiedenen Untergruppen nicht gegen den gemeinsamen Gegner zusammenschlossen. So werden die Oromo in Äthiopien und in der Diaspora heute durch eine Vielzahl von Parteien und Bewegungen repräsentiert - was ihren politischen Zielen eher schadet. Eine ähnliche "Uneinigkeit" ist auch aktuell wieder zu beobachten.

Befreiung von "äthiopischem Kolonialismus"

Im Zuge der Unabhängigkeitsbestrebungen und der Befreiung vom Kolonialismus im Afrika der 1960er Jahre entwickelte sich unter den heterogenen Oromo-Gruppen Äthiopiens ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das sogenannte "Oromumma" oder "Oromo-Sein". Vor allem gebildete Oromo sahen Parallelen zu ihrem eigenen Bestreben, sich von der äthiopischen Eroberung und von der Hegemonie der Amharen zu befreien. Zu jener Zeit nahm die Oromo-Befreiungsfront (OLF), die heute von der äthiopischen Regierung als "Terrorgruppe" bezeichnet wird, ihren Guerillakampf für einen unabhängigen Staat auf.

Nach dem Sturz des äthiopischen Kaisers Haile Selassie und der Machtübernahme der kommunistischen Militärregierung unter Mengistu 1974 bekamen die Oromo Zugeständnisse, etwa im Hinblick auf ihre Sprache oder eine Landreform. Gleichzeitig wurden amharische Bauern in Oromo-Gebiete umgesiedelt - was auch die aktuelle Diskussion um eine Landnahme von Oromo-Gebieten durch die Regierung befeuert.

Ein eigener Oromo-Regionalstaat

Nach dem Sturz des Mengistu-Regimes 1991 wurde in Äthiopien der "ethnische Föderalismus" mit einer entsprechenden regionalen Verwaltungsgliederung eingeführt. Erstmalig erhielten die Oromos einen eigenen Bundesstaat - "Oromia", der allerdings nur einen Teil der Siedlungsgebiete der Oromos umfasst. Die Sprache der Oromo, Afaan Oromoo, ist eine der zahlenmäßig größten afrikanischen Sprachen, trotzdem bleibt sie der National- und Arbeitssprache Amharisch weiter untergeordnet. Viele Oromo sehen das als Affront.

Die Beschwerden der Oromo gegen die gefühlte Unterdrückung durch die äthiopische Zentralregierung sind so vielfältig wie die Stimmen, die im Namen eines "Oromo-Nationalismus" (vermeintlich) für die Anliegen von Äthiopiens größter Volksgruppe kämpfen. Politisch repräsentiert sind die Oromo formell durch die Partei OPDO, die Teil der autoritär regierenden Parteienkoalition ist. Aus Sicht der meisten Oromo vertritt diese aber nicht die Interessen des Oromo-Volkes, sondern dient sich der Machtclique in der Hauptstadt an.