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Stichwort: Landgrabbing

Carolyn Wißing10. Oktober 2013

Millionen Hektar Land in Afrika, Asien und Lateinamerika gehen jährlich in die Hände von Großinvestoren aus dem Ausland über. Die Leidtragenden des sogenannten Landgrabbing sind lokale Kleinbauern und Dorfbewohner.

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Noch stehen die lokalen Bauern dem indischen Groß-Investment, exemplifiziert durch die schweren Rodungsmaschinen, etwas skeptisch gegenüber....(2 Fotos) *** Copyright liegt bei Ludger Schadomsky/DW Aufnahmedatum für alle Fotos: 13.8.2011
Bild: DW

Das Ausmaß ist gewaltig: 32,9 Millionen Hektar Land in Entwicklungs- und Schwellenländern sind in den vergangenen Jahren an Investoren aus dem Ausland verpachtet oder verkauft worden - eine Fläche in etwa so groß wie Deutschland. Über weitere 54 Millionen Hektar laufen Verhandlungen. Das sind die Schätzungen zahlreicher internationaler Nicht-Regierungsorganisationen. Erst seit wenigen Jahren hat das Phänomen, das Landgrabbing genannt wird, diese Dimensionen angenommen. Als 2008 die Lebensmittelpreise auf dem Weltmarkt um das Dreifache anstiegen, wurde das Interesse an günstigem Agrarland geweckt.

Es sind unter anderem die Länder mit unsicherer Ernährungslage, etwa Saudi-Arabien oder Indien, die auf den Agrarflächen im Ausland landwirtschaftliche Produkte für die eigene Bevölkerung anbauen wollen. Auch große Lebensmittelkonzerne pachten oder kaufen tausende Hektar große Anbauflächen und produzieren in industriellem Stil, beispielsweise Reis, Soja oder Pflanzen zur Gewinnung von Agrarsprit. Hinzu kommen Finanzinvestoren, die das günstige Land als neue Möglichkeit sehen, um durch Spekulationen auf ansteigende Preise Gewinne zu erzielen.

Dunkelbraune Nüsse sind die Früchte der Jatropha-Pflanze. Sie werden für die Agrarspritproduktion verwendet.
Die Früchte der Jatropha-Pflanze werden zur Agrarspritproduktion verwendetBild: CC/Ton Rulkens

Der große Land-Ausverkauf

Landgrabbing kommt in fast allen Weltregionen vor, vor allem aber in Lateinamerika, Asien und Subsahara-Afrika. Nach Berichten mehrerer Nicht-Regierungsorganisationen stellt beispielsweise die äthiopische Regierung rund vier Millionen Hektar zur Pacht zur Verfügung. Vertragslaufzeiten von bis zu 99 Jahren und ein überaus niedriger Pachtzins von teilweise nicht einmal einem Euro pro Hektar und Jahr locken die Investoren aus dem Ausland an.

Landgrabbing bewegt sich häufig an der Grenze zur Illegalität. In vielen afrikanischen Ländern ist alles Land in Staatsbesitz. Die Regierungen sehen in der Verpachtung und dem Verkauf von Agrarflächen eine Möglichkeit, die Staatskassen zu füllen. Die veräußerten Flächen befinden sich zumeist in sehr fruchtbaren Gebieten, die einen guten Zugang zu Wasserressourcen haben. Von "ungenutztem Land" sprechen einige Regierungen, obwohl viele Kleinbauernfamilien seit Jahrhunderten diese Felder bestellen oder für ihr Weidevieh nutzen. Die Folgen für die Bevölkerung sind meist schwerwiegend. Sie müssen von dem Land weichen, auf dem ihre Dörfer stehen. Hunderttausende Kleinbauern haben so bereits ihre Existenzgrundlage verloren.

Mitarbeiter bereiten ein Versuchsfeld für das Auspflanzen von Gemüse-Setzlingen vor (Foto: Helge Bendl) (Archiv Brot für die Welt - Die Bilder wurden von der Autorin Susanne Niedernolte zugeliefert)
In ihrer Existenz bedroht: Kleinbauern in ÄthiopienBild: Helge Bendl

Mögliche Chancen des Landgrabbing

Die Weltbank und auch die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN (FAO) heben dennoch die Chancen der Landinvestitionen hervor. Denn die Investoren bringen Technologien und Fachwissen in die Zielländer. So könnten die Kleinbauern von den Methoden der großen Agrarbetriebe lernen. Auch die örtliche Infrastruktur würde verbessert. Allerdings gilt das Interesse vieler Zielländer weniger dem Fortschritt, sondern eher der Aufbesserung der Staatskasse.

Im Mai 2012 beschlossene, freiwillige UN-Richtlinien sehen deshalb die Stärkung von Kleinbauern und lokaler Bevölkerung vor. Ihre Interessen sollen bei den Landgeschäften künftig mehr berücksichtigt werden. Bisher haben sich die Richtlinien als Papiertiger erwiesen, denn die Regierungen entscheiden selber, ob sie diese umsetzen wollen oder nicht.

Auf der Gambella-Farm wird Karuturi sogenannte "Cash-Crops", also Exportfrüchte wie Weizen, Baumwolle, Zuckerrohr und Reis anbauen. Die Verträge mit der äthiopischen Regierung beinhalten keine Klausel, ob Teile der Ernte im Land verbleiben müssen. "Wir machen ihnen keine Vorschriften" sagt die Regierung. "Wir verkaufen dort, wo die Preise am besten sind", sagt Karuturi. Copyright liegt bei Ludger Schadomsky/DW Aufnahmedatum für alle Fotos: 13.8.2011
Die "geraubten" Flächen umfassen oft tausende HektarBild: DW/Schadomsky