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Stiller Wirtschaftsprofessor von der Algarve

Johannes Beck 9. März 2006

Ein volksnaher Landesvater, der Kinder küsst und in der Provinz Krankenhäuser, Schulen und Rathäuser besucht, wird Cavaco Silva sicher nicht sein. Jetzt hat der neue Staatspräsident von Portugal sein Amt angetreten.

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Aníbal Cavaco SilvaBild: AP

Der schlanke 66-Jährige gilt eher als kühl, unnahbar, manche würde sogar sagen, zu arrogant. Emotionen sind nicht die Sache des neuen portugiesischen Staatsoberhauptes. Selbst am 22.1.2006, am Abend der gewonnen Wahl, blieb Aníbal Cavaco Silva ganz der alte. Die Emotionen blieben hinter seinem hageren Gesicht verborgen. Steif und etwas unbeholfen ließ er auf der Balustrade des ersten Stocks des Kulturzentrums von Belém den Applaus seiner Anhänger über sich ergehen. Bereits im ersten Wahlgang konnte Cavaco Silva mit 50,6 Prozent die Wahl damals direkt für sich entscheiden.

Cavacos spröde Wahlkampf-Auftritte sind in Portugal legendär. Als Volkstribun konnte er nie mit seinem langjährigen Widersacher Mário Soares von den Sozialisten (PS) mithalten. Wenn Cavaco vor die Portugiesen tritt, dann erinnert das oft eher an eine Vorlesung der Volkswirtschaftslehre.

Das Geheimnis seines Erfolges

Genau hier liegt wahrscheinlich das Geheimnis seines Erfolges. Vor zehn Jahren, als Cavaco Silva zum ersten Mal für die Präsidentschaft kandidierte, war er noch dem volksnahen Sozialisten und ehemaligen Bürgermeister Lissabons, Jorge Sampaio, unterlegen.

Damals herrschte in Portugal aber noch eine positive Grundstimmung. Dank hoher Überweisungen der EU-Strukturfonds wuchs die Wirtschaft, überall im Land schossen neue Einkaufszentren aus dem Boden, die Portugiesen kauften fleißig Autos und Eigenheime.

Anhänger des portugiesischen Präsidenten Cavaco Silva
Unterstützer für den Konservativen am Wahlabend im JanuarBild: AP

Doch seit einigen Jahren steckt Portugal in einer tiefen Krise. Mit den billigen Arbeitskräften in den neuen EU-Mitgliedsstaaten kann Portugal nicht mehr mithalten. Das Billiglohnland ist teuer geworden, der Staat ist hoch verschuldet und wird von einer überbordenden Bürokratie erstickt. Außerdem fehlt es vielen Arbeitskräften an der nötigen Qualifikation, um im Hochlohnbereich konkurrenzfähig zu bleiben. Es rächt sich, dass die portugiesischen Regierungen die Gelder aus den EU-Strukturfonds vor allem in den Bau von Autobahnen gesteckt haben.

Namhafter Wirtschaftsprofessor

Nun soll es Cavaco Silva richten, der am Donnerstag (9.3.2006) sein Amt als Staatspräsident getreten hat. So ist es der Wunsch zahlreicher Portugiesen. Dass sie auf Cavaco setzen, ist kein Wunder. Er hat früher für die portugiesische Zentralbank gearbeitet sowie an der Universität York und an sämtlichen namhaften Hochschulen Lissabons Volkswirtschaftslehre unterrichtet. Zuletzt war er Wirtschaftsprofessor an der katholischen Universität Lissabons.

In seiner Amtszeit als Ministerpräsident von 1985 bis 1995 hat Cavaco Silva ein marktliberales Reformprogramm durchgesetzt. Zahlreiche sozialistische Elemente aus der Zeit der so genannten Nelkenrevolution 1974 fielen ihm zum Opfer, was ihn zum Hassobjekt der Linken machte. Eigentlich heißt seine Partei PSD "Sozialdemokratische Partei", doch tatsächlich ist sie eher liberal-konservativ ausgerichtet.

Die Linke hat sich selbst ein Bein gestellt

Auch wenn sie Cavaco Silva scharf ablehnte, hat sich die portugiesische Linke bei den diesjährigen Präsidentschaftswahlen selbst ein Bein gestellt. Während Cavaco Silva eine Koalition seiner Partei PSD und der konservativen Volkspartei CDS-PP hinter sich geschart hatte, waren die Linken mit insgesamt fünf Kandidaten angetreten. Für die regierenden Sozialisten PS hatten gleich zwei Spitzenpolitiker ihren Hut in den Ring geworfen. Doch weder der 81-jährige, ehemalige Staatspräsident Mário Soares, noch der 69-jährige Schriftsteller Manuel Alegre konnten die absolute Mehrheit Cavacos im ersten Wahlgang verhindern.

Nun wird Portugal zum ersten Mal seit der Nelkenrevolution 1974 und der Rückkehr zur Demokratie einen konservativen Präsidenten bekommen. Allerdings regiert mit José Sócrates ein Sozialdemokrat das Land. Er verfügt über eine absolute Parlamentsmehrheit.

Tagesgeschäft – Repräsentieren

Viele Portugiesen sind gespannt, wie sich dies in der Praxis auswirken wird. Das Verhältnis zwischen dem Palácio de Belém - dem Sitz des Staatspräsidenten - und dem Pálacio de São Bento - dem Sitz des Parlaments und des Ministerpräsidenten - gilt für gewöhnlich als problemlos. Der Ministerpräsident kümmert sich um das Tagesgeschäft, der Präsident um das Repräsentieren.

Portugal Präsident Wahlen Anibal Cavaco Silva
Cavaco Silva im WahlkampfBild: AP

Allerdings hat der Präsident im semi-präsidentiellen Regierungssystem Portugals das Recht, das Parlament in Krisensituationen aufzulösen und Neuwahlen auszuschreiben. Zuletzt hat Cavaco Silvas Vorgänger Jorge Sampaio im Jahr 2005 eine liberal-konservative Koalition aus PSD und CDS-PP unter Pedro Santana Lopes zu Fall gebracht. Nicht ganz unbeteiligt daran war pikanterweise Cavaco Silva. Er hatte den Regierungsstil seines Parteifreundes Santana Lopes in einem Zeitungsartikel heftig kritisiert.

Schwerpunkte Bildung Armutsbekämpfung

Während des Wahlkampfes hat Cavaco Silva aber bereits klar gemacht, dass er mit der Regierung kooperieren will, um die Krise des Landes nicht weiter zu verschärfen. Seine Schwerpunkte möchte er im Bereich Bildung und Armutsbekämpfung setzen. Dabei verweist er gerne auf die ärmlichen Verhältnisse, in denen er selbst an der Algarve groß geworden ist.

Sein Team, das er mit ins Präsidentialamt nimmt, spricht dafür, dass er seinen sachbezogenen, technokratischen Führungsstil auch im neuen Amt weiterführen möchte. Die großen Namen fehlen, stattdessen hat er zahlreiche Portugiesen ins Team geholt, die bei der EU in Brüssel Erfahrungen gesammelt haben.

Raus aus der Wirtschaftskrise

1986 hat Aníbal Cavaco Silva als Ministerpräsident Portugal in die EU geführt. 20 Jahre später, zu Beginn seiner fünfjährigen Amtszeit als Präsident, ist die entscheidende Frage, ob er dem Land nun die erhofften Impulse geben kann, um die Wirtschaftskrise zu verlassen.