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Stimmen aus London - ein Jahr nach den Bombenanschlägen

7. Juli 2006

Am 7. Juli 2005 wurde London Opfer von vier Selbstmord-Attentätern. Sie rissen 52 Menschen in den Tod, verletzten Hunderte andere. DW-WORLD.DE hat sich an den Orten der Anschläge umgehört, wie es den Menschen heute geht.

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Gedenken an Londons Tavistock Square, wo eine Bombe in Bus Nr. 30 explodierteBild: AP
Nach Terroranschag in London U-Bahn
Der zerstörte U-Bahnzug der Circle LineBild: AP

Helen (26) arbeitet in einer Buchhandlung in der Euston Road:

"Wir waren mittendrin. Und es war wirklich bizarr, ein bizarrer Tag, sehr still. Jeder war gereizt wegen des Chaos' draußen. Das Geschäft normalisierte sich aber wieder ziemlich schnell und der "Geist von London" lebte schnell wieder auf. Alle Branchen und Geschäfte in London waren davon betroffen, allerdings nicht sehr lange. Ich nahm früher normalerweise die Central Linie zur Arbeit, jetzt nehme ich die Piccadilly Linie - ich wäre also noch stärker betroffen, wenn so etwas noch einmal passieren sollte. Angst habe ich in der U-Bahn nicht - es sei denn, der Zug wartet aus irgendeinem Grund lange zwischen zwei Stationen im Tunnel. Natürlich trägt man die Erinnerungen daran im Hinterkopf. Ich glaube aber, nach allem was ich seitdem mitbekommen habe, dass die Stadt sehr gut vorbereitet wäre, falls das noch einmal passiert. Alles wurde sehr gut organisiert und die Notfalldienste haben sehr gute Arbeit geleistet."

Rabi (40) arbeitet in einem kleinen Supermarkt in der Gray Inn Road:

"Am Tag, als die Bomben explodierten, schloss ich den Laden ab und ging auf einem anderen Weg als üblich zu Fuß nach Hause. Ich sah deshalb nicht, was geschehen war. Der Laden blieb danach zwei Tage geschlossen. Die Geschäfte liefen zwei oder drei Wochen ruhiger als sonst. Aber heute ist alles wieder gut. Ich nehme die U-Bahn, und alles ist wie immer. Alles ist normal."

Chetan Morar (45) ist Geschäftsführer eines Schuhgeschäfts in der Nähe der Liverpool Station:

Terroranschlag in London Galerie
Hilfe für ein Opfer der Anschläge in London am 7. Juli 2005Bild: AP

Ich kam ungefähr zehn Minuten, nachdem es passiert war. Ich war im Bus und fuhr grade zur Arbeit. Ich sah, wie Menschen aus dem Tunnel der Liverpool Station kamen. Alle waren ganz schwarz. Ein Mann kam weinend 'rein. Überall waren Menschen, es war ein unglaubliches Chaos - es war alles absolut verrückt, wirklich. Alle möglichen Bekannten, die ich irgendwo auf der Welt habe, riefen an, um zu hören, wie es mir geht. Es war erschreckend. Den Laden haben wir an dem Tag geschlossen. Danach brach das Geschäft völlig ein und blieb bis zum Dezember ziemlich ruhig. Seitdem hat es wieder langsam angezogen.

Ich bin eigentlich ein eher ruhiger Mensch, aber ich fürchte mich jetzt in den Bussen und U-Bahnen. Es kann ja jederzeit und jedem wieder passieren. Es ist eine fürchterliche Sache - es hat mich wirklich schockiert. Ich bin einfach froh, dass ich noch am Leben bin. Die Maßnahmen der Stadtverwaltung waren hervorragend, von einigen kleinen Ausnahmen abgesehen. Die haben wirklich gute Arbeit geleistet. Ein Freund von mir ist Polizist. Er wurde an dem Tag der Anschläge zum Russel Platz geschickt. Danach musste er mehrere Monate psychologisch betreut werden, weil er den Anblick der vielen Leichen nicht verkraftet hatte."

Martin Jacobs (41) Miteigentümer eines Bistros auf der Baker Street

Wir hatten Angst. Wir merkten, dass alle Straßen abgesperrt waren. Man wies uns an, das Gelände nicht zu verlassen und die Gitter und Rollladen unten zu lassen. Die Menschen waren unsicher, was sie als nächstes tun sollten. Manche haben im Restaurant ferngesehen, aber es herrschte Verwirrung, über was wirklich geschehen war. Es dauerte bis 13 oder 14 Uhr, bis uns klar wurde, was eigentlich passiert war. In den ersten Berichten war noch von einer Explosion wegen eines elektrischen Defekts die Rede. Das Geschäft war ruhig in den Tagen danach, und es waren weniger Touristen hier, aber London ist eine sehr energische Stadt. Die Menschen sind stark und fest entschlossen, sich von nichts unterkriegen zu lassen. Jetzt läuft das Geschäft wieder normal - sogar besser als je zuvor - und ich denke überhaupt nicht mehr an die Anschläge. Ich selbst fahre nicht mit der U-Bahn, aber die Leute die das tun, haben keine Angst.

Noosin Hajeer, Apotheker auf der Baker Street

"Ich hatte den Tag frei, aber ich war ziemlich geschockt, als ich davon hörte. Ich habe erst später erfahren, dass die Anschläge ganz in der Nähe meiner Arbeit waren. Inzwischen sind die Sicherheitsmaßnahmen erhöht worden und ich sehe mehr Polizisten in der Gegend. Ich glaube, zurzeit ist die Sicherheitslage in Ordnung. Sie geben so viel Geld dafür aus, aber man weiß nicht immer, wie viel Sicherheit genug ist."

Franco Novi (47), Eigentümer eines italienischen Restaurants auf der Grays Inn Road

"Nach den Anschlägen liefen die Geschäfte schlechter, weil die Menschen Angst hatten. Nach einer Woche, am 14. Juli, gab es einen weiteren Anschlag. Aber die Geschäfte laufen jetzt wieder besser. Die Menschen versuchen, ihr Leben weiterzuleben. Es ist immer noch ein mulmiges Gefühl in der U-Bahn, weil die Züge immer schaukeln. Natürlich haben wir immer Angst vor Bomben."

Kate Bowen (Übersetzung: Michael Knigge, Martin Schrader)