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Stimmungsumschwung in den USA

Daniel Scheschkewitz, Washington DC30. April 2004

Häufig wurde schon in Bezug auf den Irak und die dortige Militärpräsenz der USA ein neues Vietnam heraufbeschworen. Die Kritik in der amerikanischen Öffentlichkeit nimmt zu - auch von Seiten der Medien.

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Noch sagen es nur ganz Wenige laut und deutlich. Doch das Menetekel steht inzwischen unverkennbar an der Wand: Die USA sind mit ihrer Invasionspolitik im Irak vorerst gescheitert. Und ein Verbleib der Truppen an Euphrat und Tigris verspricht vor allem weiteres Ungemach. Es gibt Widerstand, wie in Falludscha, der trotz massiver militärischer Präsenz nicht gebrochen werden kann, es gibt Übergriffe auf US-Militärs und irakische Infrastruktureinrichtungen, die einen kontinuierlichen Aufbau des Landes unmöglich machen. Und zu allem Überfluss haben sich einzelne Soldaten der US-Armee nun auch noch als brutale Folterer erwiesen und an Irakern und den Menschenrechten vergangen.

Amerika wird diese Soldaten vor ein Kriegsgericht stellen, trotzdem werden diese Vorfälle ein übriges dazutun, um die Amerikaner in den Augen der irakischen Bevölkerung als hässliche Besatzer und nicht als Befreier erscheinen zu lassen.

Neue Stimmung

In den USA selbst beginnt sich darüber hinaus ein Meiungsumschwung abzuzeichnen, der Präsident George W. Bush inzwischen mindestens genauso viele Sorgen bereiten muss, wie die Anschläge im Irak selbst. Mittlerweile wünscht sich bereits knapp die Hälfte aller US-Bürger einen sofortigen Truppenabzug aus dem Irak und nur noch ebenso viele sprechen sich für einen Verbleib der Truppen aus, zumindest so lange, bis im Irak einigermaßen Ruhe eingekehrt ist.

Kritische Medien

Anders noch als vor einem Jahr, als in den US-Medien das patriotische Hurra-Gefühl zu einer im wesentlichen unkritischen Berichterstattung führte, die die Amerikaner im Glauben ließ, im Irak würde man als Befreier begrüßt - beginnen nun auch die US-Medien äußerst kritisch über die Besatzung zu berichten. Mit CBS sendete in dieser Woche zum ersten Mal ein amerikanischer Fernsehsender Bilder von Folterungen irakischer Kriegsgefangener durch US-Soldaten und der Konkurrenzsender ABC ließ alle Namen der bisher im Irak getöteten US-Soldaten verlesen. Das wäre noch vor wenigen Wochen undenkbar gewesen - und es bleibt abzuwarten, wie lange es noch dauern wird, bis auch unter demokratischen Kongressabgeordeten der Ruf nach einem Truppenabzug häufiger zu hören sein wird. Die Angehörigen der Soldatenfamilien jedenfalls üben bereits entsprechenden Druck auf die Abgeordneten aus.

Aus deutscher Sicht heißt es jetzt, nicht zu frohlocken. Zwar dürfen sich diejenigen bestätigt fühlen, die wie Bundeskanzler Gerhard Schröder den Krieg von vornherein ablehnten. Nichtsdestotrotz ist auch Europa vom weiteren Schicksal des Irak unmittelbar betroffen. Nur wenn es gelingt, vor oder nach dem 30. Juni aus der amerikanischen Besatzung ein internationales Mandat für den Irak zu machen, kann verhindert werden, dass aus Chaos und Gewalt ein permanenter Unruheherd im Nahen Osten entsteht.