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Stochern im Nebel

Udo Bauer, Washington30. Mai 2003

Fast zwei Monate nach dem Ende der Kriegshandlungen im Irak haben die Besatzungsmächte immer noch keine verbotenen Waffen gefunden. Allmählich bekommt US-Präsident Bush dadurch ein Glaubwürdigkeitsproblem.

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Mehrere Tage lang hatte sich der amerikanische Außenminister von den Chefs aller möglichen US-Geheimdienste informieren lassen. Bis ins letzte Detail wollte Colin Powell Bescheid wissen über irakische Massenvernichtungswaffen und die Verbindungen zwischen Saddam Husseins Regime und El-Kaida. Sein Multi-Media-Vortrag im Sicherheitsrat sollte die Welt von der Notwendigkeit eines Krieges gegen Irak überzeugen. Er tat es nicht, außer in Amerika, wo Umfragen zufolge etwa jeder Zweite fest daran glaubte, dass Irak die Terroranschläge vom 11. September mit zu verantworten hatte.

Munition für die Demokraten

Das Auffinden und Vernichten von angeblich 100 Tonnen chemischer und biologischer Kampfmittel mitsamt der Scudraketen galten dann auch offiziell als ein Kriegsziel. Doch davon will das Pentagon jetzt offenbar nichts mehr wissen. Vielleicht habe der Irak diese Waffen noch kurz vor Ausbruch des Krieges vernichtet, sagte kürzlich Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, um diese Äußerung einen Tag später wieder zu relativieren. Ein deutliches Zeichen dafür, dass das Thema die gesamte Bush-Regierung beunruhigt.

Nicht, dass sie glauben würden, sie hätten mit dem Krieg einen Fehler gemacht, nein, nur die demokratische Opposition im Lande fängt allmählich an, sich mit diesem Thema zu befassen. So legte in dieser Woche der führende Demokrat im Geheimdienstausschuss des US-Senats, der einflussreiche John D. Rockefeller, den Finger in die offene Wunde: Wenn es jetzt heißt, so der Senator, diese Waffen seien gut versteckt, warum habe man dann nicht den UN-Waffeninspektoren mehr Zeit für die Suche gegeben? Auch bei Anhörungen im Verteidigungsausschuss werden Rumsfeld und sein Vize Wolfowitz immer häufiger mit Fragen zum Verbleib der Waffen bestürmt.

Fakt oder Vermutung

Mittlerweile mehren sich die Anzeichen dafür, dass der US-Geheimdienst CIA in dieser Frage seine Hände in Unschuld waschen will. Eine interne Studie zwischen Pentagon und CIA soll jetzt ein für allemal das Informationsdickicht in Sachen Irak lichten. Es geht darum zu klären, wer welche Informationen als Tatsache in Umlauf gebracht hat. CIA-Direktor George Tenet hatte sich schon vor Wochen von vielen "Fakten" distanziert, mit denen die Bush-Regierung immer wieder den Krieg begründet hatte. Er habe keine harten Erkenntnisse über die Irak-Al-Kaida-Connection und über das Waffenprogramm, so wird Tenet zitiert.

Woher aber stammten die Informationen? Was sind belegbare Fakten und was nur Vermutungen? Haben hohe Regierungsmitglieder vielleicht leichtfertig ungesicherte Informationen verbreitet, nur weil die ihnen gut in den Kram gepasst haben? Solche Fragen stellt sich mittlerweile auch die amerikanische Presse.

Einseitige Information

Eins ist dabei schnell klar geworden: Eine sprudelnde Quelle von Irak-"Fakten" war offenbar Achmed Chalabi. Der einflussreiche Exiliraker, Chef des Irakischen Nationalkongresses, legt mittlerweile den Grundstein seiner politischen Zukunft zwischen Euphrat und Tigris. Als Saddam Hussein noch in Amt und (Un-)Würden war, hatte Chalabi sowohl die amerikanische Presse, als auch das Weiße Haus, den US-Kongress und US-Geheimdienste mit einschlägigen Dossiers beliefert. Einzig der CIA, dessen Aufgabe unter anderem die Überprüfung und Beurteilung von Informationen und Informanten ist, blieb gegenüber dem Lobbyisten in eigener Sache auf Distanz. Chalabi, immer noch Schützling des Pentagon, gilt den Schlapphüten seither als "unzuverlässige Quelle".