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"Stoiber auf der Gehaltsliste der SPD"

Zusammengestellt von Klaudia Prevezanos13. August 2005

In der vergangenen Woche machten die Aussagen von CSU-Chef Edmund Stoiber über frustrierte Ostdeutsche erhebliche Schlagzeilen - auch in den europäischen Nachbarländern. Ein Überblick aus der internationalen Presse.

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Spanien

Zu den jüngsten Streitigkeiten im christdemokratischen Lager in Deutschland schreibt die konservative spanische Zeitung "ABC" aus Madrid am Freitag (12.8.2005):

"Bei den Konservativen in Deutschland sind anscheinend einige Leute entschlossen, Angela Merkel den Sieg bei der geplanten Bundestagswahl zu erschweren. Anders sind die Äußerungen des CSU-Chefs Edmund Stoiber nicht zu interpretieren, wonach der Osten nicht über den neuen Kanzler und die 'Frustrierten' nicht über die Zukunft Deutschlands entscheiden sollten. Diese Äußerung war ein schwerer Fehler. Sie beeinträchtigt die Wahlaussichten der CDU/CSU. Stoibers Perle kam zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Die Umfragen zeigen einen Abwärtstrend bei den Christdemokraten an. Wenn man obendrein berücksichtigt, dass der Osten beim Wahlausgang eine wichtige Rolle spielen wird, deutet alles darauf hin, dass Merkel es schwer haben wird."

Frankreich

Die französische Regionalzeitung "Dernières Nouvelles d'Alsace" aus Straßburg schreibt am Samstag (13.8.) über die CDU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel:

"Der verbale Ausrutscher Stoibers ist Wasser auf die Mühlen der Linkspartei, die sich aus den Enttäuschten der SPD und den Neokommunisten der PDS gebildet hat. Nach den letzten Umfragen steht die neue Linke bereits an erster Stelle in den östlichen Bundesländern mit 30 Prozent Vorsprung vor der SPD und hat die CDU auf den dritten Rang verwiesen. Angela Merkel wird viel zu tun haben, um Punkte zu gewinnen, besonders da ihre Reaktion auf die Äußerungen Stoibers nach einer Serie von Patzern eher schwach ausfiel. Keiner aus ihrer Umgebung ist auf die Barrikaden gestiegen, um den Bayern in die Schranken zu weisen. Das wird sicherlich Fragen über die Führungskraft Merkels aufwerfen, in ihrer eigenen Mannschaft und für die Regierung des Landes, das lustlos und ziellos wirkt und nach einem Neuanfang sucht."

Schweiz

In der "Südostschweiz" aus Chur war am Freitag zu lesen:

"Die Union hat den Wahlkampf-Auftakt verstolpert und wichtige Prozentpunkte verloren. Doch Stoibers Attacken kosten mehr, sie gefährden die Einheit des Landes. Mit dem Nebeneffekt, dass die Linkspartei in Ostdeutschland noch mehr Zulauf bekommen dürfte. Was aber trieb Stoiber, sich inhaltlich so niveaulos zu äußern und vor allem auch so krass unprofessionell? Es gibt nur einen Erklärungsansatz: Er hat seine Wahlniederlage von 2002 noch immer nicht verkraftet. (...) Doch Stoibers Versuch, den wilden Osten zu bändigen, wird scheitern. Und konkret beschädigt wird allein die Kanzlerkandidatin Angela Merkel. Aber: Warum sollte es ihr besser ergehen als ihm? Und so hat Stoiber bärenstark zugeschlagen. Und damit die ostdeutsche Fliege auf der Nase von Angela Merkel zerquetscht. Ihr Nasenbluten sollte ihn nicht wundern."

Österreich

Die linksliberale Wiener Zeitung "Der Standard" meint zu den Äußerungen Stoibers am Freitag:

"Wie die CDU angesichts solcher Bemerkungen bei der Bundestagswahl im September stärkste Kraft werden will, bleibt ein Rätsel. Wer Millionen von Menschen verächtlich macht, darf sich nicht wundern, wenn sich diese dann der PDS oder anderen vermeintlichen Heilsbringern zuwenden. Stoiber hat mit seiner Bemerkung auch Unionskanzlerkandidatin Angela Merkel ein Ei gelegt. Auch sie stammt aus dem Osten - und wird in den nächsten Wochen bei jedem Wahlkampfauftritt in der ehemaligen 'Zone' erhöhten Erklärungsbedarf haben. Überhaupt benimmt sich Stoiber in jüngster Zeit, als befände sich sein Name auf der Gehaltsliste der SPD. 'Ich werde immer an Ihrer Seite sein', hat er bei ihrer Kür zur Kanzlerkandidatin versprochen. Wer dies als versteckte Drohung interpretierte, lag nicht ganz falsch. Stoiber hat immer noch nicht ganz verwunden, dass er 2002 als Kanzlerkandidat Gerhard Schröder nur 8864 Stimmen unterlag und nun Merkel den Vortritt lassen muss."

Österreich

Die österreichischen "Salzburger Nachrichten" schreiben zum gleichen Thema am Freitag:

"Freilich stellt sich die Frage, was Edmund Stoiber dazu treibt, seinen Freunden in den Rücken zu fallen. Vermutlich geht es vor allem um gekränkte Eitelkeit. Stoiber hat nie verwunden, dass nicht er ums Kanzleramt kämpft, sondern Angela Merkel - noch dazu gegen eine völlig abgewirtschaftete rot-grüne Koalition, sozusagen mit eingebauter Garantie auf den Wahlsieg. Er kann nicht akzeptieren, dass er vor drei Jahren eine historische Chance verpasst hat, ins Kanzleramt einzuziehen. Und dafür rächt er sich jetzt - bei jedem, der ihm gerade über den Weg läuft."