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Straßenkreuzer sterben langsam

Nicole Grün, Washington D.C.20. Februar 2009

Das Automobil war in Amerika nie ein bloßes Fortbewegungsmittel - sondern Inbegriff von Freiheit, Status und des American Way of Life. Jetzt hat sich die US-Autoindustrie in eine Sackgasse manövriert.

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Bild: DW

In einer Notlage nach dem Staat zu rufen, ist in Deutschland nichts Ungewöhnliches. In Amerika dagegen zählten bisher Selbstverantwortung und die Angst vor "big government" mehr als das Motto: "Vater Staat wird es schon richten". Wenn sich nun US-Unternehmen als Bittsteller an die Regierung wenden und um immer weitere Milliardenhilfen betteln, ist das ein spektakuläres Zeichen für den Auslauf des amerikanischen Modells. Besonders, wenn es sich um bei den Bittstellern noch dazu um die Bosse der Autoindustrie handelt.

Der Motor stottert

Denn gerade die Automobilindustrie war seit jeher der Motor für das amerikanische Wirtschaftswachstum. Mobilität ist alles im Autoland Amerika. Mit dem legendären "Modell T" leitete Henry Ford zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Detroit aus die Massenmotorisierung ein und begründete den Wohlstand breiterer Bevölkerungsschichten. Der Highway symbolisierte Freiheit, der "Ami-Schlitten" galt als Inbegriff des "American Way of Life".

Nun stehen mit General Motors und Chrysler zwei der größten US-Autounternehmen vor dem Aus. Zusätzlich zu den bereits ausgezahlten vier Milliarden Dollar verlangt Chrysler noch einmal mindestens fünf Milliarden aus der Staatskasse, um eine Pleite abzuwenden - eine fast schon bescheidene Summe im Vergleich zu den 30 Milliarden Dollar an Regierungskrediten, mit denen GM eine Insolvenz bis Ende März verhindern will. Der amerikanische Steuerzahler soll bezahlen für eine verfehlte Geschäftspolitik der Autobosse, die ihren Gang nach Canossa bzw. Washington in über 30 Millionen Dollar teuren Privatjets angetreten hatten.

Mehr Schein als Sein

Geländewagen (Archiv). Quelle: ap
Selbst in der Großstadt reiht sich Geländewagen an GeländewagenBild: Landwind

Doch die Schuld trifft nicht nur die Autobosse allein, sondern auch die Steuerzahler, die die verfehlte Produktpolitik der US-Autoindustrie jahrelang massiv unterstützt haben. Hauptsache groß, wuchtig und schwer motorisiert lautet das Motto in einem Land, in dem Schein oft mehr zählt als Sein und "Kyoto" eher mit den Asia-Wochen von McDonald’s als mit der Umwelt in Verbindung gebracht wird. Während in Deutschland die Ökosteuer Autohersteller zum Umdenken zwang, wird in den USA bei Benzinpreisen von 40 Cent pro Liter weiter fröhlich CO2 in die Atmosphäre gejagt.

In Washington, einer Bürostadt mit akuter Parkplatznot, wird nicht etwa mit sparsamen Kleinwagen zur Arbeit gefahren. Vielmehr dominieren spritfressende Geländewagen mit Allradantrieb die Straßen - obwohl die Stadt nicht etwa für ihre hohen Berge bekannt ist und nur an rund drei Tagen im Jahr ein paar Schneeflocken fallen. Möglichst viele PS müssen die Autos hier ebenso haben - auch, wenn auf den meisten Autobahnen nicht schneller als 90 Stundenkilometern gefahren werden darf und eine erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h beinahe als Lichtgeschwindigkeit wahrgenommen wird. Aber warum sollte man sich ein kleineres Auto kaufen, wenn man auch ein großes, repräsentativeres haben kann?

Small is beautiful

Smart. Quelle: ap
Kleinere Autos waren bislang in Amerika nicht gefragtBild: dpa

Mehr als in anderen Ländern ist das Auto in Amerika ein Statussymbol - da ist zum Beispiel der 54-jährige US-Architekt Paul, der behauptet, endgültig pleite zu sein. Gleichzeitig hat er eine Freizeitflotte von 17 Sportwagen und Pick-Up-Trucks vor seinem Haus in einem Washingtoner Vorort stehen. "Go Big": Das ist eine Spielart des amerikanischen Lebensstils, die sich selbst überlebt hat – die Autoindustrie ist ihr erstes Opfer. Der American Way of Life wird sich besonders hier neu erfinden müssen.

Doch den dramatischen "change", der erforderlich wäre um die Automobilindustrie wettbewerbs- und zukunftsfähig zu machen, wollen die Autobosse am liebsten vermeiden. Stattdessen wird an Kleinigkeiten herumlaboriert. So haben Pfenningfuchser im Chrysler-Hauptquartier in Auburn Hills fast alle Wanduhren abmontiert, die Hälfte aller Glühbirnen entfernt und die Zimmertemperatur auf Korridoren von 22 auf 20 Grad Celsius reduziert. Das Ergebnis: 490 000 Dollar weniger Batterie- und Energiekosten pro Jahr. Small is beautiful – Ein Sparkonzept mit Zukunft?