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Strategen des Terrors

Annika Schipke12. April 2004

Seit 1999 führt Russland den zweiten Tschetschenien-Krieg. Aber die Rebellen trotzen der Übermacht der russischen Streitkräfte. Sie rächen sich mit terroristischen Anschlägen. Opfer sind meist Zivilisten.

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Geiselnahmen in Russland gehen meist auf das Konto von TschetschenenBild: AP

Der Krieg zwischen Russen und Tschetschenen beruht auf einem zweihundert Jahre andauernden Konflikt. Bereits im 18. Jahrhundert wurde der von tschetschenischen Stämmen bewohnte Nordkaukasus vom russischen Imperium besetzt. Doch die Tschetschenen widersetzten sich den Eroberungsplänen des Zarenreiches. Seitdem prägen kriegerische Auseinandersetzungen das Verhältnis.

Während des Zweiten Weltkrieges warf Josef Stalin dem tschetschenischen Volk Kollaboration mit der deutschen Wehrmacht vor und ließ alle Tschetschenen 1944 nach Sibirien und Kasachstan deportieren. Infolge des Transports starben zehntausende Menschen. Die Feindschaft zu Russland wurde daraufhin immer größer. Erst 1957 durften die Verbannten in ihre Heimat zurückkehren.

Scheitern im ersten Tschetschenien-Krieg

1991 rief Tschetschenien in der Endphase der Sowjetunion die Unabhängigkeit aus und wählte Dschochar Dudajew zum Präsidenten der Republik. In den folgenden Jahren konnte der das Land im Nordkaukasus aber nicht stabilisieren, so dass Tschetschenien wirtschaftlich und sozial verfiel. Kriminelle Banden, Korruption und Waffenschmuggel beherrschten den Markt.

Da der russische Präsident Jelzin aber Tschetschenien nicht zur Rückkehr in die Russische Föderation bewegen konnte, marschierte im November 1994 die russische Armee in Tschetschenien ein. Der erste russisch-tschetschenische Krieg führte zu hohen Verlusten auf beiden Seiten, aber zu keiner endgültigen Lösung: Die tschetschenischen Kämpfer konnten die Unabhängigkeit ihres Landes nicht durchsetzen und die russischen Truppen mussten Ende 1996 ihren Rückzug erklären.

Russlands zweite Invasion

Obwohl Tschetschenien völkerrechtlich weiterhin der Russischen Föderation angehörte, wurde 1997 der ehemalige Generalstabschef der Streitkräfte Aslan Maschadow zum neuen Präsidenten des Landes gewählt. Tschetschenien war damit wieder faktisch unabhängig und erhielt deshalb kaum Hilfe aus Moskau zum Wiederaufbau des Landes. So blieben die kriminellen Strukturen bestehen, die Tschetschenien bereits vor dem Krieg geprägt hatten.

Nachdem im Sommer 1999 tschetschenische Separatisten die benachbarte Republik Dagestan überfielen, eskalierte die Situation im Nordkaukasus erneut. Gleichzeitig wurden tschetschenische Terroristen für mehrere Bombenanschläge auf Wohnhäuser in Moskau und anderen Städten Russlands verantwortlich gemacht. Daraufhin leitete der neue Ministerpräsident Wladimir Putin eine weitere russische Invasion in Tschetschenien ein. Eine groß angelegte Bodenoffensive am 1. Oktober 1999 markierte den Beginn des zweiten Tschetschenien-Krieges. In diesem Konflikt ist vor allem die Zivilbevölkerung betroffen - bisher wurden nach Schätzungen bis zu 20.000 Zivilisten getötet.

Fortsetzung des Terrors

Am 6. Februar 2000 verkündete Putin die Einnahme der tschetschenischen Hauptstadt Grosny sowie weiter Teile des Landes. Doch die Rebellen zogen sich in die südliche Bergregion zurück und bedienten sich der Taktiken des Guerillakampfes. Sie unternahmen in der Folgezeit Sabotageakte und Überfälle auf Kontrollpunkte, Kasernen sowie Mitglieder der von Russland eingesetzten Übergangsverwaltung.

Derzeit sind 70.000 russische Soldaten und Polizisten in Tschetschenien stationiert. Als Präsident der prorussischen Regierung führt Achmad Kadyrow das Land. Obwohl nach russischen Angaben im März 2003 die Mehrheit der stimmberechtigten Tschetschenen dem Verbleib in der Russischen Föderation zustimmte, setzen die Partisanen ihren Kampf fort. So wurden zuletzt auch tschetschenische Terroristen für einen Anschlag auf die Moskauer U-Bahn im Februar 2004 verantwortlich gemacht, bei dem 41 Menschen getötet wurden. Wenige Wochen später konnte der russische Geheimdienst FSB weitere geplante Sprengstoffanschläge verhindern, die angeblich tschetschenische Separatisten vor der Präsidentenwahl am 14. März 2004 durchführen wollten.