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Strategische Neupositionierung

Rainer Sollich8. Februar 2002

Die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) hat angekündigt sich in "Kurdische Demokratische Volksunion" umzubenennen. Die Ankündigung zielt vor allem auf Europa. Ein DW-Kommentar von Rainer Sollich.

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Die jüngste PKK-Erklärung klingt gut: "Unsere Partei wird nicht für Unterdrückung, Teilung und Terror Partei ergreifen, sondern für Demokratie, Frieden und Freiheit." Bemerkenswerte Töne für eine politische Organisation, die mehr als zwanzig Jahre lang ziemlich skrupellos mit Waffengewalt und Attentaten für einen eigenen Staat im Südosten der Türkei gekämpft hat. Das alles soll nun angeblich endgültig zu Ende sein - wohl auch, um nach dem 11. September den Eindruck zu erwecken, auf der richtigen Seite der internationalen Anti-Terror-Front zu stehen. Nachdem die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) bereits 1999 den bewaffneten Kampf für beendet erklärt hatte, will sie sich nun angeblich auch demokratische Strukturen und einen neuen Namen geben, der nicht mehr mit Gewalt und Terror assoziiert wird: "Kurdische Demokratische Volksunion". Klingt ebenfalls gut.

Doch "gut klingen" ist nicht alles: Ob die Ankündigung der PKK ernstgemeint ist, bleibt erst einmal abzuwarten. Bislang steht die PKK mehr für streng hierarchische und kriminelle Strukturen. Deswegen ist sie auch in Deutschland verboten. Allerdings ist die Organisation seit ihrer militärischen Niederlage in Südostanatolien und der Festnahme ihres Führers Abdullah Öcalan 1999 in der Defensive - jedenfalls in der Türkei selbst. Sie musste also seinerzeit eine Strategieänderung vornehmen. Und die zielt offenbar darauf ab, sich erst einmal in Europa um Anerkennung zu bemühen. In der Hoffnung, dass die EU später auch ihren Beitrittskandidaten Türkei zu einem Dialog mit der PKK drängen wird.

Die Möglichkeit besteht durchaus: Anders als der türkische Staat hat die PKK seit 1999 gelernt, wie man mit Blick auf Europa zielgruppengerechte Propaganda-Arbeit betreibt. Beispiel Deutschland: Das PKK-Verbot ist hier in den letzten Jahren immer wieder in Frage gestellt worden. Hätte die PKK nicht vor Jahren den Fehler begangen, Gewalt auf deutsche Straßen zu tragen, und gäbe es nicht den Verfassungsschutz mit seinen ständigen Warnungen vor den kriminellen Machenschaften der Organisation - vermutlich würde die PKK vielen Deutschen schon heute wieder als legitime Vertretung eines unterdrückten Volkes erscheinen. Eben dieses Image soll mit der jetzt angekündigten Umbenennung der PKK gezielt aufgebaut werden.

Um nicht missverstanden zu werden, es gab und gibt berechtigte Anliegen der Kurden in der Türkei: etwa der Wunsch nach mehr kulturellen Rechten - oder das Drängen nach Verminderung der wirtschaftlichen Benachteiligung kurdischer Siedlungsgebiete. Hier hat die Türkei jahrzehntelange Fehler und Defizite zu korrigieren, wenn sie den Anschluss an Europa finden will. Aber man darf sich nichts vormachen: Eine "Versöhnung" zwischen türkischem Staat und PKK wird es auf absehbare Zeit nicht geben. Zwar sind in den vergangenen zwanzig Jahren auch türkische Sicherheitskräfte äußerst brutal in Südostanatolien vorgegangen. Aber die PKK hat derart viele Menschenleben auf dem Gewissen, dass keine türkische Regierung es gegenüber der Bevölkerung vertreten könnte, sich mit ihr an einen Tisch zu setzen. Daran wird auch ein neuer Name nichts ändern.

Kurdische Interessen können in der Türkei nur mit sehr viel Vorsicht vor innenpolitischen Stolpersteinen, und das heißt: außerhalb der PKK oder ihrer Nachfolge-Organisation vertreten werden. Wichtiger jedoch ist: Der türkische Staat muss von sich aus auf gemäßigte Kurdenvertreter zugehen und sie ins politische System einbinden. Dies ist nicht nur im Hinblick auf den angestrebten EU-Beitritt wichtig, sondern auch, um nach dem militärischen Sieg gegen die PKK auch eine politische Lösung für den Kurdenkonflikt zu ermöglichen. Ein weiterer Vorteil für Ankara: Dies würde der PKK auch in Europa den Nährboden entziehen.