1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Strategischer Neuanfang für Afghanistan

29. Januar 2010

Ein Strategiewechsel in der Afghanistan-Politik ist beschlossene Sache. Die internationale Gemeinschaft nimmt die Regierung in Kabul stärker in die Verantwortung. Dafür gibt es mehr zivile und militärische Unterstützung.

https://p.dw.com/p/LjLr
Das Banner der Afghanistan-Konferenz (Foto: AP)
Bild: AP

Acht Jahre nach dem Sturz der radikal-islamischen Taliban hat sich die internationale Gemeinschaft auf einen Strategiewechsel bei ihrem Engagement in Afghanistan verständigt: Hauptziele sind die schrittweise Übergabe der Verantwortung an die afghanische Regierung und das Militär sowie ein Versöhnungsprozess mit den aufständischen Taliban. Auf der Londoner Afghanistan-Konferenz beschworen am Donnerstag (28.01.2010) die Delegierten aus rund 70 Ländern und von internationalen Organisationen eine "Wende" in der Afghanistan-Politik.

Gastgeber Gordon Brown warb eindringlich für die Strategie der "Afghanisierung". Distrikt für Distrikt, Region für Region solle den Afghanen die Verantwortung für die eigene Sicherheit übertragen werden, betonte er. Beginnen wolle man damit schon in diesem Jahr. Auch der Oberbefehlshaber der Internationalen Afghanistan-Schutztruppe (ISAF), Stanley McChrystal, erklärte, er gehe von einer Trendwende ab September aus. Der afghanische Präsident Hamid Karsai stellte nochmals in Aussicht, dass sein Land bis 2014 in der Lage sein werde, selbst für die eigene Sicherheit zu sorgen.

Gruppenbild der Konferenz-Teilnehmer in London (Foto: AP)
Die Teilnehmer der Afghanistan-Konferenz in LondonBild: AP

Große Einigkeit der Teilnehmer

Der britische Außenminister David Miliband hob die große Einigkeit der Teilnehmerstaaten der Konferenz hervor. Zugleich kritisierte er, dass der iranische Außenminister die Einladung nach London nicht angenommen habe. Miliband betonte, die Übergabe der Sicherheitsverantwortung in ersten Provinzen Afghanistans könne schon Ende dieses Jahres beginnen. Für das erste Jahr seien bereits 140 Millionen US-Dollar für den geplanten "Reintegrationsfonds" für ausstiegswillige Taliban zugesagt. Nach den Plänen ist er auf fünf Jahre angelegt und soll mindestens 500 Millionen Dollar umfassen. Medienberichten zufolge will die Bundesregierung das Programm mit 50 Millionen Euro über fünf Jahre unterstützen.

Nach den USA stocken auch viele andere Staaten ihre Kontingente in Afghanistan auf. Brown zufolge wird die Zahl der internationalen Truppen auf insgesamt 135.000 Soldaten steigen. Die afghanischen Sicherheitskräfte sollen im großen Stil ausgebildet und auf 300.000 Mann verstärkt werden. Aus Sicht der USA und Deutschlands kann der Abzug der ersten ausländischen Truppen im nächsten Jahr beginnen. Ein konkretes Datum wurde aber nicht genannt.

Frieden und Versöhnung als höchstes Ziel

Karsai (links) und Brown (Foto: AP)
Präsident Karsai, Premier BrownBild: AP

Der afghanische Präsident Hamid Karsai, der im vergangenen Jahr nach umstrittener Wahl im Amt bestätigt wurde, nannte Frieden und Versöhnung als höchstes Ziel seiner Regierung. Man reiche allen Landsleuten die Hand, "die nichts mit dem Terrornetzwerk Al Kaida zu tun haben und die Verfassung respektieren". Er kündigte an, einen nationalen Friedensrats einzusetzen und eine traditionelle Ratsversammlung (Loja Jirga) zu Frieden und Versöhnung einzuberufen. Als Vermittler nannte er den saudischen König Abdullah. Auch Pakistan sei eingeladen. Karsai machte aber auch deutlich, dass sein Land noch jahrelang auf ausländische Truppen und Finanzhilfe angewiesen sein werde.

"Sehr erfolgreiche Konferenz"

Bundesaußenminister Guido Westerwelle sprach von einer sehr erfolgreichen Konferenz. Er sehe in den Ergebnissen einen "strategischen Neuanfang" für das kriegsgeplagte Land. Die internationale Gemeinschaft habe die weiteren Hilfszusagen für Präsident Karsai an klare Bedingungen geknüpft. "Wir haben keinen Blankoscheck ausgestellt. Wir werden Präsident Karsai beim Wort nehmen", betonte der Minister. Für die deutschen Soldaten gebe es jetzt eine klare Perspektive. Im Jahr 2014 könne die "vollständige Übergabe der Verantwortung an die afghanische Regierung" gelungen sein. Zugleich schränkte er ein: "Es gibt keine Garantie, dass jetzt alles gelingt." Die Arbeit für neue Sicherheitsstrukturen habe gerade erst begonnen. Dabei bleibe auch die Einbettung der Nachbarländer Afghanistans von besonderer Bedeutung.

Für die Integration kriegsmüder Taliban will Deutschland 50 Millionen Euro über fünf Jahre bereitstellen. Die Entwicklungshilfe wird auf 430 Millionen Euro pro Jahr nahezu verdoppelt. Bis zu 850 deutsche Soldaten will die Bundesregierung zusätzlich nach Afghanistan entsenden. Derzeit umfasst das deutsche Kontingent 4.500 Soldaten. Deutschland stellt nach den USA und Großbritannien die drittgrößte Zahl an Sicherheitskräften für die internationale ISAF-Truppe.

Autor: Herbert Peckmann (epd, dpa, ap, rtr, afp)

Redaktion: Ursula Kissel