1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Streiks legen Frankreich zunehmend lahm

18. Oktober 2010

Der Streit um die Anhebung des Rentenalters in Frankreich verschärft sich. Kurz vor der entscheidenden Abstimmung des Senats weiten die Gewerkschaften ihre Proteste aus. Die Regierung setzte einen Krisenstab ein.

https://p.dw.com/p/PgNM
Auch Schüler und Studenten schließen sich den Protesten an (Foto: AP)
Auch Schüler und Studenten schließen sich den Protesten anBild: AP

Ein Ende der Behinderungen ist nicht in Sicht. Die Protestaktionen konzentrierten sich am Montag (18.10.2010) verstärkt auf den Bahnverkehr. Etwa jeder zweite Hochgeschwindigkeitszug blieb stehen. Auch viele Regional- und Vorortbahnen fielen aus. Die Thalys-Züge von Paris nach Köln wurden ebenfalls gestrichen - allerdings wegen eines Streiks in Belgien.

Zapfsäulen 'außer Betrieb' nach Kraftstoff-Engpässen (Foto: AP)
"Außer Betrieb" - einigen Tankstellen ging der Sprit ausBild: AP

Auch die Lastwagenfahrer demonstrierten mit. Sie blockierten beispielsweise die Auffahrt zu mehreren Treibstoffdepots des Landes. Dabei setzten die Streikenden Autoreifen in Brand. Auf mehreren Autobahnen starteten die Brummifahrer zudem eine "Operation Schnecke", wobei mehrere Lastwagen etwa zwei von drei Spuren sperrten. Davon war am Montagmorgen unter anderem die Autobahn in der Nähe des nordfranzösischen Lille betroffen.

Ersten Tankstellen ging der Sprit aus

Demonstranten vor einem Haufen von brennenden Autoreifen an dem Tor einer Ölraffinierie (Foto: AP)
Mit den Barrikaden blockierten die Demonstranten die Zufahrten zu den DepotsBild: AP

Zunehmend betroffen sind die Tankstellen. Mehr als 1000 Stationen ging landesweit der Treibstoff aus, wie der Kraftstoff-Importverband UIP am Montag mitteilte. Im Westen des Landes sei die Lage schlechter als im Norden. Der Verband UIP versorgt für große Supermarkt-Ketten wie Carrefour mehr als 4000 der insgesamt 12.500 Tankstellen in Land.

Nach Angaben der Regierung sind aber die Hamsterkäufe Mitgrund für den Engpass. Wirtschaftsministerin Christine Lagarde erklärte, der Benzinvorrat für die kommenden Wochen sei gesichert. Gleichwohl berief die Regierung einen interministeriellen Krisenstab zur Treibstoffversorgung ein.

Bei Schülerprotesten in mehreren Städten kam es erneut zu Zusammenstößen mit Steinwürfen und dem Einsatz von Tränengas durch die Polizei. So gingen in Lyon drei Autos in Flammena auf. Nach Angaben der Regierung wurden landesweit 261 Schulen bestreikt. Dagegen sprach der Schülerverband von 850 bestreikten Schulen, von denen 550 sogar blockiert sein sollen. Für Dienstag sind auch die Studenten aufgerufen, sich den Demonstrationen anzuschließen.

Flugverkehr bisher kaum beeinträchtigt

Zumindest an den Flughäfen scheint das große Chaos abgewendet. Die Versorgung mit Treibstoff laufe wieder, es gebe keinerlei Problem mehr, erklärte Frankreichs Transport-Staatssekretär Dominique Bussereau. Nur einige kleinere Flughäfen wie Nizza oder Nantes bekämen wegen der Streiks in den Raffinerien nicht genügend Nachschub, räumte Bussereau ein. Die Fluggesellschaften wurden aufgefordert, an ihren Zielorten oder Zwischenstopps aufzutanken und mit möglichst vollen Tanks nach Frankreich zu fliegen. Inzwischen forderte die Luftfahrtbehörde die Fluglinien auf, am Dienstag ihre Frankreich-Flüge bis zu 50 Prozent zu kürzen.

Hunderttausende Demonstranten in Marseille (Foto: AP)
Am Samstag waren wieder hunderttausende auf die Straßen gegangen - wie hier in MarseilleBild: AP

In ganz Frankreich waren am Wochenende wieder Hunderttausende Menschen gegen die geplante Rentenreform auf die Straßen gegangen. An den Protesten beteiligten sich nach Angaben des französischen Innenministeriums am Samstag rund 825.000 Menschen. Die Gewerkschaften sprechen sogar von fast drei Millionen Teilnehmern. Der nächste groß angelegte Aktionstag ist für Dienstag angesetzt.

Die Proteste richten sich gegen die geplante Rentenreform, die unter anderem eine Anhebung des Mindesteintrittsalters für die Rente von 60 auf 62 Jahre vorsieht. Der zugrundeliegende Gesetzentwurf soll bereits am Mittwoch durch den Senat gehen. Die Nationalversammlung, die andere Kammer des Parlaments, hat die Reform bereits verabschiedet. Hintergrund ist nach Angaben der Regierung ein Milliardendefizit der französischen Rentenkasse. Allein für dieses Jahr wird das Minus auf mehr als 32 Milliarden Euro beziffert.

Autor: Frank Wörner, Marion Linnenbrink (dpa, afp, rtr, dapd)
Redaktion: Michael Wehling, Reinhard Kleber