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Streit um die Kirchensteuer in Ungarn

18. Dezember 2002

- Politiker halten Volkszählungsdaten als Berechnungsgrundlage für falsch

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Budapest, 17.12.2002, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch, Zsuzsanna Kicsi

Die zwei größten Kirchen Ungarns, die römisch-katholische und die reformierte Kirche, haben ihre Unzufriedenheit wegen der vorgeschlagenen Gesetzesänderung zur staatlichen Finanzierung der Religionsgemeinschaften geäußert. Sie bestehen darauf, dass die Kirchensteuer auf Grund der Volkszählungsdaten aus dem Vorjahr verteilt wird - die Regierung will dies kippen. Jetzt soll eine Arbeitsgruppe aus Politikern und Kirchenvertretern eingesetzt werden, die für 2004 einen Kompromiss ausarbeiten soll.

Die Orbán-Regierung hatte festgelegt, dass ab Januar 2003 die finanzielle Unterstützung des Staats für die Kirchen auf der Basis der Volkszählungsdaten aus dem vergangenen Jahr bemessen werden sollte. László Donáth, evangelischer Priester und MSZP (Ungarische Sozialistische Partei - MD) -Abgeordneter, brachte gemeinsam mit dem SZDSZ (Bund Freier Demokraten - MD) -Politiker Gábor Fodor den Vorschlag ein, diese Beihilfe stattdessen lieber allgemein auf ein Prozent der Einkommenssteuer festzulegen. Die Abgeordneten befanden zum Unwillen der Kirchen, dass die Volkszählungsdaten die wahre Aufteilung der Bevölkerung nach Religionszugehörigkeit nicht wiederspiegele. Die Anwendung dieser Daten für die Kirchenfinanzierung sei deshalb verfassungswidrig und bedeute einen Missbrauch des Volkszählungsgesetzes.

András Veres, Sekretär des Katholischen Bischofsrats in Ungarn, betonte in diesem Streit, dass das zwischen der Horn-Regierung und dem Heiligen Stuhl 1997 unterzeichnete Konkordat sich auch auf die Kirchenfinanzierung bezieht. Dieser Rechtsakt, der in Ungarn Gesetzesrang hat, ermöglicht den Bürgern, dass sie ein Prozent ihrer Einkommenssteuer einer von ihnen gewählten Kirche anbieten können. Aus allen Steuereinnahmen werden 0,5 Prozent, aber nicht weniger als 1,7 Milliarden Forint als Ergänzung in die Kirchenkassen fließen.

Der Katholische Bischofsrat hält die Nicht-Beachtung dieses Konkordats für verfassungswidrig. Wenn der neue Gesetzesvorschlag ab dem kommenden Jahr geltend wäre, würde er die kleinen Kirchengemeinden benachteiligen. Die evangelische Kirche hält es politisch, rechtlich und moralisch für richtig, wenn ein Steuergeschenk von einem Prozent an die Kirchen weiterhin für die Auszahlungen entscheidend wäre.

Um eine gemeinsame Abstimmung in der strittigen Frage zu finden, trafen sich am vergangenen Montag (9.12.) die Vertreter der vier historischen Kirchen mit dem Staatspräsidenten Ferenc Mádl und dem Ministerpräsidenten. Die katholische Kirche will, dass die Regierung den Vorschlag des Staatspräsidenten dem Parlament vorlegen soll. Dem gemäß werden die finanziellen Beihilfen im Falle der katholischen und der reformierten Kirche anhand der Volkszählungsdaten berechnet, bei den anderen Kirchen nach der einprozentigen Einkommenssteuer. Das Jahr 2003 wird auf jeden Fall nur eine Übergangsperiode sein. (fp)