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Europäische Abzocke?

7. Februar 2012

Peking hat den chinesischen Fluggesellschaften die Teilnahme am europäischen Emissionshandel ETS untersagt. Damit findet ein Streit, den rund 40 Staaten mit der EU führen, einen vorläufigen Höhepunkt.

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Ein Flugzeug, das am Dienstagmorgen (22.11.2011) im Landeanflug auf den Flughafen von Frankfurt am Main ist, durchfliegt die aufgehende Sonne über dem Rhein-Main-Gebiet. Ein Dunstschleier und die Kondensstreifen anderer Fluzeuge dämpfen dabei das Licht. Foto: Frank Rumpenhorst dpa/lhe +++(c) dpa - Bildfunk+++
Flugzeug Kondensstreifen Verschmutzung Klimawandel SonneBild: picture-alliance/dpa

Fluglinien aus China dürften ohne Genehmigung keine zusätzlichen Steuern oder Abgaben zahlen, zitierte die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua die Behörde für zivile Luftfahrt. Zugleich sei es den Airlines verboten, Kunden wegen der EU-Pläne zur Kasse zu bitten. China werde je nach Entwicklung notwendige Gegenmaßnahmen zum Schutz der chinesischen Geschäftsinteressen prüfen.

Flugzeuge von Air China in Beijing (Foto: Reuters)
Emissionshandel untersagt: Air China in BeijingBild: REUTERS

Seit 2005 müssen Unternehmen in Europa, die CO2 ausstoßen, Emissionsrechte kaufen. Es lohnt sich für sie, in Umweltschutzmaßnahmen zu investieren, weil sie damit weniger Verschmutzungsrechte kaufen müssen. Seit Januar sind auch alle Fluglinien in diesen Emissionshandel einbezogen, die in Europa starten oder landen - unabhängig vom Sitz der Fluggesellschaft.

Die Fluggesellschaften bekommen 85 Prozent der Verschmutzungsrechte kostenlos zugeteilt, 15 Prozent müssen sie dazukaufen. Ab 2013 soll der Anteil der kostenfreien Zertifikate reduziert werden. Die Fluggesellschaften sollen damit angehalten werden, Kerosin sparende Maschinen einzusetzen. Die Schätzungen für die Einnahmen aus der Zwangsabgabe liegen bei 750 Millionen Euro im nächsten Jahr - ein Langsteckenticket verteuert sich, so die EU-Kommission, um vier bis maximal 24 Euro.

Urteil aus Luxemburg

Rund 40 außereuropäische Staaten hatten im Vorfeld Widerstand gegen diese EU-Regelung angekündigt. Am 21. Dezember bestätigte jedoch der Europäische Gerichtshof, die höchste Rechtsinstanz der EU, die Rechtmäßigkeit der Einbeziehung der Fluglinien in den EU-Emissionshandel. Mit dem Urteil lehnten die Luxemburger Richter die Klage einer Gruppe nordamerikanischer Fluglinien ab. Sie betonten, dass der Emissionshandel nicht gegen das Open Sky-Abkommen zwischen der EU und Nordamerika verstößt. Nach Ansicht des Gerichts ist es zudem mit internationalem Recht vereinbar, dass auch Emissionen, die außerhalb des EU-Luftraums verursacht werden, in den EU-Emissionshandel einbezogen werden.

Ein Flugzeug startet vom Flughafen von Frankfurt am Main vor zwei Kondensstreifen am Himmel, die sich kreuzen. (Foto: picturealliance/dpa)
Ob ETS oder nicht: Die Kondensstreifen bleibenBild: picture-alliance/dpa

Doch trotz des Urteils aus Luxemburg haben zahlreiche Länder und Airlines außerhalb der EU den Kampf gegen ihre Einbeziehung in den europäischen Emissionshandel noch nicht aufgegeben. Peking und Washington machen ihren Widerstand gegen die EU-Emissionsregeln nach wie vor am lautesten deutlich, aber auch Russland, Indien und andere sind ebenfalls gegen ETS. Ihre Grundsatzargumente sind weiterhin, dass die EU nicht das Recht habe, nichteuropäische Fluggesellschaften in ihr System zu zwingen, und dass die Einbeziehung von Emissionen, die außerhalb des EU-Luftraums anfallen, illegal sei. Doch der juristische Weg gegen die ETS-Regelung ist lang und beschwerlich, und der Ausgang ungewiss.

Überflüssig?

Die besten Chancen haben die ETS-Gegner wahrscheinlich, wenn sie den Fall vor die Internationale Zivilluftfahrtbehörde (ICAO) bringen. "Alle bedeutenden Länder haben die ICAO-Konvention unterzeichnet und könnten die Frage, ob ETS im Rahmen des internationalen Rechts zulässig ist, vor die ICAO bringen“, erläutert Uwe Erling, Umwelt- und Luftfahrtrechtsexperte der Kanzlei Nörr in München gegenüber der DW. Bislang hat jedoch noch kein Land den Konflikt offiziell vor die ICAO gebracht.

Das Weiße Haus in Washington (Foto: picturealliance/landov)
Washington droht mit einem eigenen GesetzBild: picture alliance / landov

Washington erwägt dagegen eine direktere Art, um das EU-Emissionsregelwerk zu stoppen. Der US-Kongress berät über ein Gesetz, dass es US-Fluggesellschaften verbieten würde, sich am europäischen Emissionshandel zu beteiligen. Das würde alle amerikanischen Airlines in einen unlösbaren Konflikt bringen, denn sie würden automatisch zu Gesetzesbrechern. Entweder sie würden gegen US-Recht oder gegen EU-Recht verstoßen.

"Die Airlines sind nicht grundsätzlich gegen den Emissionshandel", sagt Luftfahrtexperte Jens Flottau zur DW. "Sie fordern nur, dass weltweit die gleichen Bedingungen herrschen." Hier sei die Europäische Union einseitig vorgeprescht - in einem Bereich, für den sie gar nicht zuständig sei. Flottau hält zudem das ETS-Regelwerk für schlichtweg überflüssig. Denn auch ohne diese Maßnahmen läge es im Interesse aller Fluglinien, Kerosin einzusparen, sagt Flottau. "Kerosin ist mittlerweile einer der größten Einzelposten in der Kostenrechnung der Airlines. Deshalb haben sie von sich aus ein großes Interesse daran, die Umwelt zu schonen."

Autoren: Michael Knigge/Rolf Wenkel
Redaktion: Henrik Böhme