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Streit um entscheidende Nuancen

Wolter von Tiesenhausen13. Februar 2003

Der Deutsche Bundestag war am Donnerstag (13.02.) Schauplatz einer scharfen Auseinandersetzung über die deutsche Irak-Politik. Wolter von Tiesenhausen kommentiert.

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Deutschlands Haltung zum Irak stützt sich auf eine breite Basis im Land. Alle plädieren für eine friedliche Lösung, also für die freiwillige Entwaffnung Saddam Husseins. Niemand will Krieg, und sollte es dennoch dazu kommen, ist die Beteiligung deutscher Truppen ausgeschlossen. Dennoch gab es eine engagierte Debatte im Deutschen Bundestag mit heftigen gegenseitigen Vorwürfen. Bundeskanzler Gerhard Schröder hielt der Opposition mangelnden Friedenswillen vor, die Christdemokraten ihrerseits kreiden der Regierung die Beschädigung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses und des nordatlantischen Bündnisses an.

Es geht - das sei zugegeben - um Nuancen, allerdings um entscheidende Nuancen. Kanzler und Regierung beanspruchen für sich, von Anfang an eine klare Position bezogen zu haben. An einer militärischen Intervention der USA und ihrer Verbündeten gegen den Irak werde man sich nicht beteiligen und ihr auch im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Legitimation verweigern. Diese Festlegung erfolgte, bevor die ersten Berichte der Waffeninspekteure vorlagen. Und genau das ist es, was die Opposition der Regierung vorwirft. Durch die vorzeitige Festlegung habe die Bundesregierung die UNO-Inspekteure brüskiert und die Vereinten Nationen insgesamt geschwächt.

Die Christdemokraten sind überzeugt davon, dass Bundeskanzler Schröder seine Entscheidung nicht nur aus außen- und sicherheitspolitischen Gründen traf, sondern dass er dabei auch innenpolitische Argumente berücksichtigte. Vor allem im Osten Deutschlands wurde die konsequente Anti-Kriegs-Haltung der rot-grünen Koalition bei den Bundestagswahlen im vergangenen Herbst honoriert. Der Preis dafür ist allerdings eine Belastung der deutsch-amerikanischen Beziehungen und zunehmend auch der NATO. Die Bundesregierung wiederum beruft sich darauf, dass zum Beispiel Frankreich und Russland die deutsche Position teilen, man also keinesfalls - wie von der Opposition behauptet - isoliert sei.

Doch anders als die Bundesregierung haben sich Frankreich, Russland und die anderen Staaten, die auf Distanz zur amerikanischen Politik gegangen sind, nicht von vorneherein, auf ein "Nein" festgelegt. Sie alle wollen das Ergebnis der Waffeninspektionen abwarten und erst danach entscheiden. Sollte die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak nachgewiesen werden und sollte sich Bagdad weigern, diese zu zerstören, dann schließen auch Frankreich und Russland eine militärische Aktion nicht aus.

Der Schulterschluss zwischen Berlin und Paris ist also keineswegs so eng, wie Bundeskanzler Schröder die Öffentlichkeit glauben machen möchte. Im Gegenteil, es droht die Gefahr, dass Deutschland am Ende wirklich isoliert da steht.