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Streit um Gaza-Strategie im israelischen Kabinett

Blair Cunningham, Jerusalem / KK18. Juli 2014

Mit dem Rauswurf des stellvertretenden Verteidigungsministers Danny Danon hat Israels Premier Netanjahu seine Position gestärkt, meinen Experten. Der Grund waren unterschiedliche Ansichten zur Gaza-Strategie.

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Benjamin Netanyahu im Kabinett in Jerusalem (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Das jüngste israelische Vorgehen gegen die Hamas war nicht nach Danny Danons Geschmack. Also kritisierte der stellvertretende israelische Verteidigungsminister Premier Benjamin Netanjahu nach Kräften - und zwar in aller Öffentlichkeit. Der 43-jährige Politiker aus Netanjahus Likud-Block beklagte sich über das "zurückhaltende Vorgehen" in Gaza und forderte eine schärfere und direktere Reaktion - noch vor dem Beginn der aktuellen Bodenoffensive Isaels im Gazastreifen.

Premierminister Benjamin Netanjahu reagierte umgehend auf die Kritik: Er entließ Danon. Damit muss das israelische Kabinett den zweiten Abgang innerhalb weniger Tage verkraften. Zuvor hatte bereits die Partei "Unser Haus Israel" des Außenministers Avigdor Lieberman das Bündnis mit dem Likud-Block von Premier Netanjahu verlassen. Auch er war mit Netanjahus Vorgehen in Gaza nicht einverstanden. Ihn hatte vor allem geärgert, dass Netanjahu eine Bodenoffensive zuerst noch kategorisch ablehnte.

Nun hat Netanjahu eben diese Offensive angeordnet. "Es ist für israelische Verhältnisse sehr ungewöhnlich, dass Politiker in Kriegszeiten die Regierung angreifen", sagt der Politik-Experte Amotz Asa'El im Gespräch mit der DW. Das sei sogar bei Politikern aus der Opposition nicht üblich. Sogar die oppositionelle Arbeitspartei sei derzeit sehr vorsichtig in ihren Äußerungen und vermeide es, Netanjahu anzugreifen. "Dass während eines Kriegs nun ein Koalitionsmitglied die Regierung kritisiert, gilt in Israel als unerhört."

Der israelische Außenminister Avigdor Lieberman in Berlin (Foto: Reuters)
Auch Außenminister Lieberman hat den Premier offen kritisiertBild: Reuters

"Trotzdem kein politisches Tauziehen im Parlament"

Danon habe sich keinen Gefallen getan, als er aus dem Kabinett ausscherte und Netanjahus Entscheidung als "linke Schwäche" kritisierte, sagt der politische Analyst Yehuda Ben Meir vom Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS). "Jeder weiß, dass man sich in solchen Situationen nicht auf diese Weise äußern sollte". Danon werde für sein Verhalten büßen. "Sein Verhalten offenbart vor allem ein schlechtes Benehmen und ein fehlendes Verständnis für die Arbeitsweise einer Regierung", so Meir im Gespräch mit der DW.

Meir glaubt trotzdem nicht, dass der Gaza-Krieg ein Tauziehen zwischen linken und rechten Abgeordneten ausgelöst hat. "In Sicherheits- und Verteidigungskrisen sprechen Premier und Verteidigungsminister regelmäßig mit einer Zunge, und niemand, weder in der Regierung, noch in der Opposition, redet ihnen rein. Netanjahu und sein Verteidigungsminister stehen Seite an Seite und werden vom Staatschef öffentlich unterstützt. Hält diese Konstellation, wird es ein politisches Tauziehen nicht geben."

Meir räumt ein, dass es zwischen linken und rechten Koalitionsmitgliedern gelegentlich einen politischen Richtungsstreit gibt. Als Beispiel nennt er die Diskussion um die gescheiterten Friedensverhandlungen mit der Palästinensischen Autonomiebehörde. "Aber in Fragen der Verteidigungsstrategie hat es noch nie eine Koalitionskrise gegeben. Und solange der Konflikt andauert, bleibt auch diese Koalition stabil", so Meir.

Netanjahus Entscheidung, Danon zu feuern, werde die Stellung des Premiers in der Koalition ebenso wie im Parlament und in der Öffentlichkeit nicht schwächen, sondern stärken, glaubt auch der politische Analyst Amotz Asa'El. "Netanjahu balanciert die linken und rechten Kabinettsmitglieder sehr erfolgreich aus. Mit der Entlassung Danons hat Netanjahu allen Koalitionsmitgliedern klargemacht, dass er, solange der Krieg andauert, eine öffentliche Schelte nicht dulden wird. Er erwartet von der Koalition Disziplin. Und die wird er bekommen."

Ein israelischer Soldat im Gazastreifen (Foto: Reuters)
Sowohl die Mehrheit der israelischen Bevölkerung als auch das Parlament befürworten die MilitäroffensiveBild: Reuters

Ben Meir sieht es ebenso. "Der Premier hat gezeigt, dass er sich nicht verunsichern lässt und politischem Druck nicht nachgibt. Mir scheint, dass er sein Image in den Augen der israelischen Öffentlichkeit verbessert hat. Er hat Stärke bewiesen." Netanjahus Entscheidungen würden viele Israelis an den ehemaligen Premier Ariel Sharon erinnern. "Auch er entließ viele Minister, und zwar aus den unterschiedlichsten Gründen."

"Danon ist nicht aus dem Spiel"

Danon selbst hat innerhalb seiner Partei bereits mehrfach für Schlagzeilen gesorgt. Im März dieses Jahres drohte er mit seinem Rücktritt für den Fall, dass Israel auch die vierte Gruppe palästinensischer Gefangener entlasse. Dazu kam es nicht - und so blieb Danon im Amt. Im Jahr 2012 sorgte er für Schlagzeilen, als er in Israel lebende afrikanische Migranten als "nationale Plage" bezeichnete und forderte, dass sie in ihre Heimat zurückgeschickt werden.

Allerdings wurde seine Rolle in Frage gestellt: "Danon war stellvertretender Verteidigungsminister. Als solcher hatte er keinerlei Funktionen. Der Minister wollte ihn nicht und stellte ihn darum kalt. Er nahm weder an Kabinettstreffen noch an Sitzungen mit militärischen Befehlshabern und dem Stabschef teil. Netanjahu hat Danon systematisch neutralisiert", so Ben Meir.

Asa'El erwartet nicht, dass Danon für immer von der politischen Szene abtreten wird: "Er ist nicht aus dem Spiel. Er hat nur ein wenig an Macht verloren."