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Streit um Videoüberwachung

Marcel Fürstenau24. April 2013

Bundesinnenminister Friedrich plädiert nachdrücklich für mehr Kameras im öffentlich Raum. Auf einer Veranstaltung des Verfassungsschutzes geht es aber auch um die Neonazi-Mordserie.

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Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU,r) und Hans-Georg Maaßen, Präsident des Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz auf einem Symposium in Berlin. (Foto: Maurizio Gambarini / dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Mit ungewohnt deutlichen Worten hat Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) am Dienstag (23.04.2013) auf einem Symposium des Verfassungsschutzes in Berlin die Gegner einer verstärkten Videoüberwachung kritisiert. Unter ihnen vermutet Friedrich offenkundig auch den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes, Andreas Voßkuhle. Der hatte nach dem Bombenanschlag auf den Boston-Marathon in einem Interview mit der "Welt am Sonntag" vor überzogenen Reaktionen in Deutschland gewarnt.

"Wenn Verfassungsrichter Politik machen wollen, sollen sie für den Bundestag kandidieren", empörte sich Friedrich, ohne Voßkuhle beim Namen zu nennen. Der hatte in dem Interview gesagt, es sei Teil des politischen Geschehens, "dass nach einem Ereignis wie in Boston sofort Forderungen formuliert werden". Bei der konkreten Umsetzung "sollte dann aber wieder Besonnenheit einkehren", sagte Voßkuhle weiter. Friedrich bezeichnete die Äußerungen des höchsten deutschen Richters als "unangemessen".

SPD-Politiker beklagt "Datenschrott"

SPD-Politiker Michael Hartmann am Rednerpult des Bundestages. (Foto: Lichtblick / Achim Melde)
Sozialdemokrat Michael HartmannBild: Deutscher Bundestag / Lichtblick/Achim Melde

Aufmerksamer Zuhörer beim Verfassungsschutz-Symposium war der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann. Er sei kein prinzipieller Gegner der Videoüberwachung, sagte der Sozialdemokrat der Deutschen Welle. Hinter den Kameras müssten aber auch genügend Polizisten stehen, um das aufgezeichnete Material auszuwerten. Sonst produziere man mit der Videoüberwachung nur "Datenschrott", sagte Hartmann.

Die Sicherheitsbehörden in Boston sind den mutmaßlichen Marathon-Attentätern auch mit Hilfe von Videoaufnahmen auf die Spur gekommen. Aus Sicht des deutschen Innenministers sei so verhindert worden, "dass weitere Anschläge geplant oder ausgeführt werden konnten". Bei dem Anschlag am 14. April waren drei Menschen getötet und weit über 100 verletzt worden, viele davon schwer. Die ganze westliche Welt sei in Gefahr, sagte Friedrich auf der Berliner Veranstaltung. Auch in Deutschland gebe es eine "abstrakte Bedrohung" durch extremistische Gruppierungen. Man habe keinen Grund, die Lage zu verharmlosen.

Friedrich will Hassprediger schneller ausweisen lassen

Mit Sorge beobachtet Friedrich die radikale Salafisten-Szene. Sein Ministerium prüfe derzeit Maßnahmen, um sogenannte Hassprediger leichter ausweisen zu können. Auf der Innenministerkonferenz im Mai will er seinen Kollegen aus den 16 Bundesländern einen Vorschlag präsentieren. Die Gesellschaft müsse es sich nicht gefallen lassen, dass radikale Islamisten Unfrieden stifteten und zu Gewalt und Kriminalität aufriefen, betonte Friedrich.

Auf dem Symposium des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) war selbstverständlich auch der "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) Gesprächsthema. BfV-Präsident Hans-Georg Maßen sagte mit Blick auf die NSU-Mordserie und das offenkundige Versagen der Sicherheitsdienste, es sei wichtig, "dass der Verfassungsschutz nicht nur in den Mustern denkt, die einem vertraut sind". Damit spielte der Nachfolger des im vergangenen Jahr zurückgetretenen Heinz Fromm auf die zahlreichen Pannen im Zusammenhang mit dem rechtsextremistischen NSU-Terror an.

Maaßen: "Dienstleister einer wehrhaften Demokratie"

Maaßen versucht nun, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. "Wir sind Dienstleister einer wehrhaften Demokratie" - mit diesen Worten beschrieb er in Berlin das Selbstverständnis seiner Behörde. Dem eigenen Anspruch ist der Verfassungsschutz im Falle des rechtsterroristischen NSU allerdings nicht annähernd gerecht geworden. Denn die Kooperation zwischen den einzelnen Ämtern auf Bundes- und Länderebene hat selten gut funktioniert. Das gilt auch für die Zusammenarbeit mit der Polizei. Dieser Eindruck verstärkte sich durch Medienberichte und die Arbeit parlamentarischer Untersuchungsausschüsse zum NSU-Komplex.

Die tatsächlichen Hintergründe der NSU-Mordserie wurden total verkannt. Statt im rechtsextremistischen Milieu wurden die Täter über viele Jahre im familiären Umfeld der Opfer vermutet. Acht der Erschossenen hatten türkische Wurzeln, einer griechische. Außerdem starb eine aus Thüringen stammende Polizistin. In diesem Bundesland sind die späteren NSU-Mitglieder Ende der 1990er Jahre untergetaucht. Die ihnen zur Last gelegten Morde sowie zahlreiche Bombenanschläge und Banküberfälle ereigneten sich im Zeitraum von 2000 bis 2007.

Der NSU flog erst im November 2011 auf - nach einem weiteren Banküberfall. Als sich die Polizei den mutmaßlichen Tätern näherte, nahmen sich Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos das Leben, um ihrer Festnahme zu entgehen. Gegen das dritte Mitglied der Terrorgruppe, Beate Zschäpe, beginnt am 6. Mai in München der Prozess.