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Streit ums Grab von Dschingis Khan

Hao Gui16. November 2004

Den gefürchteten Mongolenherrscher zur Popfigur machen. So dachte es sich ein Geschäftsmann, wollte deshalb das Grab von Dschingis Khan zum Ziel von Souvenirjägern machen und löste stattdessen einen Skandal in China aus.

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Traditionen spielen in der Mongolei eine wichtige RolleBild: dpa

Dschingis Khan war einer der erfolgreichsten Eroberer der Weltgeschichte. Sein Name bedeutet auf Mongolisch so viel wie "ozeangleicher Herrscher". Vor 800 Jahren war er Herrscher über das größte Reich, das je in der Lebensspanne eines einzelnen Menschen entstand. Er vereinte einen Haufen sich bekriegender Mongolen-Stämme, unterwarf die mächtigsten Kulturstaaten Asiens und drang weit bis nach Europa vor. Wo er sich bestatten ließ, ist rätselhaft. Jedoch findet sich sein symbolisches Grab in Ordos, einer kleinen Gemeinde in der Volksrepublik China.

Millionen Besucher kommen jährlich, um dem Held und dem Begründer der chinesischen Yuan-Dynastie Respekt zu erweisen. Marco Polo schrieb in seinem Reisebericht, das Grab von Dschingis Khan bestehe aus acht weißen Jurten, bewacht von den Darhad-Mongolen, einem Volksstamm, der aus ausgewählten Leibwächtern des Herrschers besteht. Hunderte von Jahren später regt sich nun unter den Nachkommen der Darhad Widerstand. Sie sehen sich in ihrem alleinigen Recht verletzt, die Ruhe des Herrschers zu gewährleisten.

"Beleidigung der mongolischen Seele"

Ein chinesisches Unternehmen namens "Donglian" will das Grabmal kaufen und doch unter anderem Pantoffeln mit Dschingis Khan-Porträts verkaufen. Das sei eine Beleidigung des Herrschers und somit des gesamten Mongolenstamms, meint Xi Haiming, Vorsitzender der südmongolischen Liga zum Schutz der Menschenrechte. "Auf den ersten Blick sieht es wie ein normaler Privatisierungsplan aus. Tatsache aber ist, dass dieses Vorhaben eine tiefgreifende Verletzung und Beleidigung der mongolischen Seele darstellt." Die kommunistische Partei habe viele Maßnahmen in der mongolischen Region getroffen. Viele mongolische Ortsnamen wurden in chinesische umgewandelt. Dahinter stehe das Ziel, "die mongolischen Spuren im chinesischen
Reich zu eliminieren". Die Kommunistische Partei Chinas habe das Ziel, "andere Völker in China zu assimilieren, bis nur noch ein einziger Chinesenstamm existiert".

Die unterdrückte Minderheit

In China leben neben den Han-Chinesen, die 90 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, noch 55 weitere Völker. Viele von ihnen haben ihre eigene Sprache. So auch die fünf Millionen Mongolen, die größtenteils in einem autonomen Gebiet der Volksrepublik, der so genannten Inneren Mongolei, leben. Sie haben ihre eigene Kultur und Rituale: Dass nur allein der Darhad-Stamm das Grab von Dschingis Khan überwachen darf, ist eines davon.

In einem offenen Brief wendet sich der Stamm an die Weltöffentlichkeit und bezeichnet das Privatisierungsvorhaben als illegal. Die Grundbucheintragung sei nicht ordnungsmäßig geändert worden, auch das Gutachten für die Genehmigung zum Umbau des unter Denkmalschutz stehenden Objekts sei nicht eingeholt worden.

Die von Han-Chinesen dominierte lokale Regierung befürchtet, dass die Diskussion um das Grab von Dschingis Khan für weitere Unruhen im Land sorgen wird. Schließlich gibt es davon bereits in anderen Regionen genug. So kontrolliert die Regierung Versammlungen der Mongolen und geht verstärkt gegen politische Aktivisten vor. Eine Kulturveranstaltung mit 2000 Mongolen-Studenten wurde kurzfristig verboten, weil Flugblätter auf dem Campus verteilt wurden, die den Streit um das Grabmal des Dschingis Khan schilderten.

Alter Streit, neu entfacht

Um die Beziehungen zwischen Han-Chinesen und Mongolen ist es seit Jahrzehnten nicht gut bestellt. Nach der Gründung der Volkrepublik China wollte die Pekinger Regierung aus Viehwiesen Ackerland gewinnen, viele Mongolen wurden in Folge dessen vertrieben. Heute stellt die kommunistische Führung fest, dass die im Norden Chinas immer häufiger vorkommenden Sandstürme auf das unkontrollierte Weiden der Mongolen zurückzuführen sind und verhängte eine
Weidesperre. Das widerspricht völlig den Lebensgepflogenheiten des stolzen Reitervolks.

Deshalb mahnt Menschenrechtsvertreter Xi Haiming: "Ich denke, dass die KP die Rituale der Mongolen beachten und die Darhad-Mongolen weiterhin das Grab hüten lassen sollte. Nicht alles lässt sich privatisieren, auch nicht das Grab des Dschingis Khan. Es ist keine Ware im eigentlichen Sinne. Es ist ein Kulturgut und genau wie die Religion oder der Glauben zu achten!“