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Streiten nach strengen Regeln

Insa Wrede19. April 2002

Wenn Tarifverträge auslaufen, gehen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht einfach aufeinander los. In Deutschland gibt es eine streng geregelte "Streitkultur".

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Auch bei Tarifverhandlungen wird nach genauen Vorschriften gekämpftBild: AP

Wie aber funktioniert das ganze System? Zunächst einmal wird ein laufender Tarifvertrag von der Gewerkschaft fristgerecht gekündigt. Dann stellen die Gewerkschaftsmitglieder ihre Forderung an die Arbeitgeber. Anschließend wird eine Tarifkommission aus hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktionären und Gewerkschaftsmitgliedern verschiedener Unternehmen gebildet. Die Tarifkommission bildet wiederum eine Verhandlungskommission, die sich mit den Arbeitgeberverbänden an einen Tisch setzt.

Erst reden, dann streiken

Meist beginnen die Verhandlungen, bevor der Tarifvertrag abläuft. Manchmal geht das Ganze sehr schnell und ein Ergebnis liegt schon nach wenigen Tagen vor. Manchmal dauert es bis zu einer Einigung aber Monate. Während der Laufzeit des Tarifvertrages und vier Wochen nach Ablauf des Tarifvertrags herrscht Friedenspflicht. In dieser Zeit darf nicht gestreikt werden. Erst danach sind befristete Warnstreiks erlaubt. Zeigen sich die Arbeitgeber unnachgiebig, führen die Gewerkschaften während den Verhandlungen kurze Warnstreiks, Demonstrationen und Aktionen durch.

Schlichtungsstelle als Prügelknabe

Einigen sich beide Parteien nicht, kann die Tarifkommission oder der Vorstand der Gewerkschaft die Verhandlungen für gescheitert erklären. Anschließend ruft die Kommission entweder eine Schlichtung an oder beantragt eine Urabstimmung der Gewerkschaftsmitglieder, in der entschieden wird, ob unbefristet gestreikt wird. Für einen Streik müssen drei Viertel der Gewerkschaftsmitglieder stimmen.

Um einen Streik zu vermeiden, können Arbeitgeberverbände oder Gewerkschaften ebenfalls eine Schlichtung anrufen. Sie wird hinterher oft zum Sündenbock für Abschlüsse gemacht, die die beiden Parteien vor ihren Mitgliedern nicht rechtfertigen können. Wenn aber auch eine Schlichtung zu keinem Ergebnis führt, dann kommt es zum Streik.

Wenn es hart auf hart kommt

Während des Streiks bezahlen die Arbeitgeber keinen Lohn. Einen Ersatz erhalten die Streikenden aus der Streikkasse der Gewerkschaften. Die wurde vorher durch Beiträge der Gewerkschaftsmitglieder gefüllt. Ein Streik ist also wie zwei Autos, die aufeinander zurasen. Wer weicht zuerst aus? Die Arbeitgeber erleiden durch den Produktionsrückgang Verluste, die Arbeitnehmer zehren von ihrer Streikkasse. Am Ende steht dann doch ein neuer Tarifvertrag.

Garantie für die Tarifautonomie

Das Streikreicht ist das einzige Mittel der Arbeitnehmer, Druck auf die Arbeitgeber auszuüben. Es gewährt so die "Tarifautonomie", also das Recht, selbständig Löhne und Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Das Bundesarbeitsgericht hat es einmal so ausgedrückt: "Tarifverhandlungen ohne das Recht zum Streik ist wie kollektives Betteln."