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Streitpunkt Irak-Krieg

7. Februar 2003

In den USA wächst der Ärger über die ablehnende deutsche Haltung zu einem Irak-Krieg. DW-WORLD hat zwei führende deutsche Politiker interviewt, deren Standpunkte verschiedener kaum sein könnten.

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Winfried Hermann und Jörg SchönbohmBild: AP

Winfried Hermann (Bündnis 90 / Die Grünen) ist seit 1998 Mitglied des Deutschen Bundestages.

Herr Hermann, sind Sie glücklich mit Kanzler Schröders Irak-Politik?

Ich bin ziemlich glücklich, dass der Kanzler seit einigen Monaten eine recht klare Position vertritt. Wir glauben zwar, dass das Irak-Problem nicht auf die leichte Schulter genommen werden darf, aber wir glauben, dass es unter Einbeziehung des UN-Sicherheitsrates gelöst werden muss.

Jetzt in den Krieg gegen den Irak zu ziehen wäre sehr schädlich für das irakische Volk. Es würde die ganze Region destabilisieren und eine chaotische Situation heraufbeschwören. Ein Krieg würde auch indirekt Terroristen helfen, weil die arabische Welt und viele arme Ländern den Eindruck haben, dass die westliche Welt und vor allem die Vereinigten Staaten opportunistisch handeln, wichtige Ressourcen ausbeuten, den Rest der Welt auf ihre Linie zwingen, Regierungen rund um die Welt nach Belieben einsetzen und Krieg führen, wie es ihnen gefällt.

Also fordern diese ärmeren Länder ihre Jugend auf, gegen diese imperialistische Macht zu kämpfen. Deshalb denken wir, wäre ein Krieg gegen den Irak sehr kontraproduktiv.

Glauben Sie, der Kanzler tut genug, um einen Krieg zu vermeiden?

Sowohl der Kanzler als auch Außenminister Fischer versuchen den Krieg zu verhindern und dafür Partner zu werben. Mit Frankreich haben sie schon einen starken Partner gefunden. Der französische Präsident Jacques Chirac ist sehr wichtig im Sicherheitsrat, wichtiger als Deutschland, weil Frankreich als ständiges Mitglied ein Vetorecht hat.


In Deutschland sind wir durch die Verfassung gebunden. Wir dürfen nicht an einem Aggressionskrieg teilnehmen, der nicht von den Vereinten Nationen abgesegnet wurde. Wenn die USA ohne UN-Einverständnis in den Krieg ziehen ist das gegen internationales Recht und dann hat Deutschland ein riesiges Problem. Wie soll Deutschland seinem ältesten Bruder und Freund klar machen, dass er internationales Recht verletzt hat und deshalb deutsche Militärbasen nicht mehr benutzen kann. Das ist mehr als nur ein diplomatisches Problem.

Es gab hitzige Diskussionen über die Frage, inwieweit Deutschland den Vereinigten Staaten bei einem Militärschlag behilflich sein soll. Wie ist der Stand der Dinge?

Deutschland hat sich geweigert, den Amerikanern Waffen zur Verfügung zu stellen. Natürlich können wir das nicht machen, wenn es um die Sicherheit amerikanischer Soldaten geht. Selbstverständlich wird die deutsche Regierung amerikanische Soldaten in Deutschland vor Terroranschlägen beschützen. Deutschland wird alle mit Amerika unterschriebenen Pakte und Verträge einhalten und seine Pflichten erfüllen. Nicht mehr und nicht weniger.

Wie wird Schröders Haltung die internationale Position Deutschlands und die transatlantischen Beziehungen langfristig beeinflussen?

Was mit den transatlantischen Beziehungen geschieht, hängt von den Entwicklungen in Amerika ab. Wir sollten nicht vergessen, dass Präsident Bush nur ein amerikanischer Präsident ist. Er ist seit zwei Jahren an der Macht und repräsentiert offensichtlich eine neue amerikanische Politik, die meiner Meinung nach gefährlich ist. Diese Art von Politik soll rechtfertigen, dass die Amerikaner offensiv für ihre politischen und wirtschaftlichen Interessen in der Welt einstehen. Ich glaube nicht, dass Bush langfristig sehr erfolgreich mit dieser Politik sein wird. In ein paar Jahren wird man in Amerika diese Periode als eine Phase ansehen, in der die USA versuchten, die größte Macht der Welt zu werden, dass es aber in Wahrheit die Phase war, als ihre Macht zu schwinden begann.

Glauben Sie, dass persönliche Animositäten zwischen Bundeskanzler Schröder und Präsident Bush zur aktuellen Verschlechterung der Beziehungen beigetragen haben?

Ja, ich glaube, da ist ein Körnchen Wahrheit drin. Die amerikanischen Geheimdienste zögern nicht, sogar ihre Freunde abzuhören. Präsident Bush ist so sauer mit den Deutschen, weil er weiß, was die Deutschen wirklich über ihn denken.

Der ehemalige Bundeswehrgeneral Jörg Schönbohm (CDU) ist Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident des Bundeslandes Brandenburg.

Herr Schönbohm, sind sie mit Schröders Irak-Politik einverstanden?

Schröders Politik ist absolut falsch. Erstens entscheidet er bevor er die Fakten kennt. Er sagt, er ist unter jeden Umständen gegen jeden Krieg im Irak, und das zu einer Zeit, wenn die USA und ihre Verbündeten wie Großbritannien und Australien ihre Streitkräfte zusammenziehen, um Druck auf Saddam Hussein auszuüben und ihn zu zwingen, die UN-Resolutionen zu befolgen.

Zweitens geht Deutschland einen Sonderweg, obwohl Europa versucht eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu entwickeln. Die anderen sagen, sie sind bereit eine Entscheidung zu treffen, sobald sie mehr wissen. Deutschland aber hat schon entschieden, was es nicht tun wird.

Glauben Sie, dass die Position des Kanzlers Deutschlands internationales Ansehen langfristig schaden wird?

Die Position des Kanzlers schädigt sowohl die deutsch-amerikanischen Beziehungen als auch die gemeinsame europäische Sicherheitspolitik. Der amerikanische Botschafter in Deutschland sagte kürzlich in einer Fernsehdiskussion, dass sich Deutschland isoliert - und das ist weder im Interesse Europas noch Deutschlands.

Auch wenn Frankreich bei diesem Thema hinter Deutschland zu stehen scheint?

Nein, Frankreich steht nicht hinter Deutschland. Frankreich hat anlässlich des 40. Geburtstages des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages nur gesagt, dass es im Moment auf unserer Linie ist. Die Franzosen haben aber nie gesagt, dass sie militärische Gewalt im Irak strikt ablehnen.

Im Irak Krieg von 1991 zögerten die Franzosen bis zum letzten Monat und dann haben sie sich mit der Begründung beteiligt, es sei im Interesse Europas und im Interesse Frankreichs. Die französische Position wird erst dann klar werden, wenn eine Entscheidung getroffen werden muss.

Glauben Sie, dass es überhaupt Vorteile gibt, für eine friedliche Lösung im Irak einzustehen, wie es Kanzler Schröder tut?

Die Politik des Kanzlers und die der Grünen ist nur für den heimischen Gebrauch bestimmt. Sie soll die Wähler beeindrucken. Sowohl bei den Sozialdemokraten als auch bei den Grünen gibt es starke Strömungen, die schon immer gegen militärische Aktionen waren. Eine wirklich starke Führung sollte aber in der Lage sein, die Parteien zu überzeugen, dass die endgültige Entscheidung später getroffen werden muss und dass man dann erklären kann, warum man dafür oder dagegen ist. Es jetzt schon zu tun, ist ein schwerer Fehler.

Warum sollte Deutschland an der Seite der Amerikaner in einen Krieg gegen den Irak ziehen?

Deutschland sollte nicht in den Krieg ziehen. Der Punkt ist, dass Amerika unter dem Schirm der Vereinten Nationen einen Krieg gegen einen Diktator führt, der Massenvernichtungswaffen besitzt. Wenn Saddam Hussein die verschiedenen UN Sicherheitsrat-Resolutionen nicht erfüllt, muss es Konsequenzen geben. Und wenn die Menschen in Amerika und Europa sagen "wir gehen gegen ihn vor", dann gibt es keinen Platz für einen speziellen deutschen Weg.

Wenn Amerika die Entscheidung trifft unter Aufsicht der UNO in den Krieg gegen den Irak zu ziehen und gleichzeitig die volle Unterstützung der anderen UN-Mitglieder hat, dann sollte Deutschland seinen Teil der Verantwortung erfüllen. Deutschland hat jetzt schon ungefähr 10.000 Soldaten in Friedensmissionen auf der ganzen Welt und man muss darüber sprechen, mit wie viel logistischer Unterstützung es die Amerikaner überhaupt unterstützen kann. Aber zumindest politisch sollten wir auf der Seite der Amerikaner sein.

Die Interviews führten Sonia Phalnikar und Ruth Elkins