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Strip-Trip

Christine Gruler30. August 2003

"In 80 Bildern um die Welt": In Berlin können die Fans gezeichneter Geschichten bis zum 28. September 2003 ganz auf ihre Kosten kommen. Ob schwarz-weiß oder in Farbe - die Abenteuer sind vielfältig.

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Reise durch aktuelle Comic-Kulturen

20.000 Pfund, Rum und Ehre lockten, als sich Phileas Fogg, ein englischer Gentleman, und sein Kammerdiener Passepartout auf ein wahnwitziges Abenteuer begaben: In der unglaublich kurzen Zeit von 80 Tagen gelang es ihnen um die Welt zu reisen.

Berliner Comicfestival Plakat

Als Jules Verne seine beiden Hauptfiguren vor über 100 Jahren um die Erde schickte, hatten gezeichnete Geschichten bereits in die amerikanischen Tageszeitungen gefunden. Doch ehe der Comic zu einer etablierten Kunstform heranwachsen war, vergingen noch viele Jahrzehnte. "In 80 Bildern um die Welt" entführt Matthias Schneider, künstlerischer Leiter des Berliner Comicfestivals, derzeit in ein Reich der Zeichen, das längst noch nicht jedem Liebhaber gezeichneter Geschichten aufgeschlossen war.

Manga fernab von MTV

Michio Hisauchi Comic
Michio HisauchiBild: Michio Hisauchi

Vorbei an Mickey Mouse und Donald Duck, den Helden, vor den die Eltern niemals warnten, erklimmt der Besucher über eine Treppe die Zone für Erwachsene. Gespenstisch mutierte Figuren jagen Würmer und Insekten auf einer Zeichnung des japanischen Manga-Stars Hideshi Hino: Eine Auseinandersetzung mit Hiroshima und der eigenen japanischen Geschichte.

"Wir wollen das typische Manga-Bild brechen.", sagt Matthias Schneider gegenüber DW-WORLD. Kulleräugige Dragonballs, wie sie die Jugendsender und Comicverlage seit nunmehr 15 Jahren erfolgreich verbreiten, sind deshalb nicht zu sehen. "Schließlich werden die jugendlichen Manga-Leser auch älter," erläutert Schneider seinen Ausblick auf die Zukunft des deutschen Comic-Markts: "Die Verlage müssen am Ball bleiben."

Grafische und inhaltliche Experimente

Anke Feuchtenberger Comic
Anke Feuchtenberger

In Anke Feuchtenberger hat die junge deutsche Comic-Avantgarde bereits einen funkelnden Leitstern gefunden. Die gebürtige Ost-Berlinerin ist international bekannt - und übrigens die einzige Comic-Zeichnerin mit Lehrstuhl. In düster-geheimnisvollen Szenarien erzählt sie die Geschichte der "Hure h".

Grafisch steht Feuchtenberger noch ganz in der Tradition osteuropäischer Illustrationsschulen. Doch in einem wesentlichen Punkt lehnt sie sich an ihr Vorbild Mark Beyer an, neben dessen Amy + Jordan Strips ihre Bilder präsentiert werden: Der Amerikaner kehrte erstmals die innere Psyche an die Oberfläche der bunten Comic-Welt. "Durch mein Kind stand ich plötzlich mit ganz ursprünglichen Dingen des Lebens in Verbindung: Zeit, Wachstum, Kacke, Krankheiten, ständiger Körperkontakt.", vertraute Feuchtenberger der Zeitschrift "Comixene" an.

Erwachsen und etabliert

Ulf K. bei der Arbeit
Ulf K.Bild: Christine Gruler

Mehr als eine Reise um die Welt ist die Schau in der Berliner Backfabrik am Prenzlauer Berg deshalb auch ein Trip durch die unterschiedlichsten Erlebniswelten ihrer Zeichner. Alltagsabenteuer, Geschlechtszugehörigkeit, Lust und Leiden am Erwachsen-Sein thematisiert die zeitgenössische Zeichner-Avantgarde: Vom Schund-Image des Superhelden-Comics hat sich die sogenannte Neunte Kunst längst abgehoben. Eine Tatsache, die sich bislang noch unzureichend auf den Buchmarkt ausgewirkt hat.