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Trinkwasser durch Strom

Brigitte Osterath27. August 2012

Forscher arbeiten an einer neuen Methode, um Meerwasser trinkbar zu machen. Eine Batterie zieht Salz mit Strom aus dem Wasser. Was kann das neue Verfahren besser als das altbewährte?

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Wassertank in Zimbabwe (ddp images/AP Photo/Tsvangirayi Mukwazhi, File)
Bild: AP

Um Wasser zu entsalzen, benutzt man bisher mechanischen Druck: Große Pumpen pressen Meerwasser mit hohem Druck durch eine sehr feine Membran. Diese lässt nur das reine Wasser durch und hält das Salz zurück. Dieser Vorgang, die sogenannte Umkehrosmose, funktioniert zwar sehr gut, verschlingt aber auch sehr große Mengen Energie.

Auch mit Strom lässt sich Meerwasser entsalzen und dabei vermutlich viel Energie sparen. An einer solchen Methode arbeitet Fabio La Mantia, Nachwuchsgruppenleiter am Zentrum für Elektrochemie an der Ruhr-Universität Bochum. "Das Ganze funktioniert wie eine Art Batterie", erklärt er. "Wir legen Strom an und ziehen damit die Natrium- und Chloridionen aus dem Meerwasser."

Natriumchlorid, also einfaches Kochsalz, macht das Wasser in den Ozeanen so ungenießbar – dasselbe Salz, das wir auch im Supermarkt kaufen. Es besteht aus positiv geladenen Teilchen, den Natriumionen, und negativ geladenen Teilchen, den Chloridionen. Legt man an das Meerwasser Strom an, wandern die Teilchen in die Richtung ihrer entgegengesetzen Ladung: Chlorid zum positiven Pol, Natrium zum negativen. So kann man die Salzteilchen aus dem Meerwasser herausfischen.

Bisher nur im Miniformat

Vor Fabio La Mantia steht ein kleiner, etwa vier Zentimeter großer Plexiglaswürfel, der oben einen Schlitz hat. Das ist seine Apparatur. Etwa zweihundert Mikroliter Meerwasser kann er darin entsalzen, also ein Fünftel eines Milliliters. Das entspricht etwa vier Wassertropfen.

Forscher Fabio La Mantia von der Ruhr-Universität Bochum
Fabio La Mantia forscht an einer neuen EntsalzungsmethodeBild: privat

Um Strom an das Wasser anzulegen, benutzt der Forscher flexible Elektroden aus Aktivkohlegewebe, einem Material mit sehr großer Oberfläche. Etwa ein Zentimeter breite Läppchen dieses Gewebes beschichtet er mit den passenden Elektrodenmaterialien. Auf der einen Seite der Batterie, dem Pluspol, sind das feine Silberpartikel – sie binden das Chlorid aus dem Wasser, indem sie mit ihm eine Verbindung eingehen. Es entsteht Silberchlorid.

Die andere Seite, der Minuspol, ist mit einem Material namens Natriummanganoxid beschichtet. Wie der Name schon sagt, enthält diese Verbindung normalerweise Natrium. Entzieht man ihr vor dem Experiment aber ihre Natriumteilchen, ist sie bestrebt, wieder neue aufzunehmen. Daher fängt sie während der Entsalzung die Natriumionen aus dem Wasser.

La Mantias Doktorand, Alberto Battistel, platziert die beschichteten Läppchen in der Plexiglaszelle. Dann nimmt Battistel eine Spritze und füllt etwas Meerwasser aus einer Flasche in die Kammer. Der Doktorand klemmt Minus- und Pluspol an den Kohleläppchen fest. "Um ein Viertel des Kochsalzes aus dem Wasser zu entfernen, lasse ich das Experiment 40 Minuten lang mit einer Stromstärke von einem Milliampere laufen", erklärt er und stellt alles am Computer ein.

Apparatur zur Meerwasserentsalzung. Copyright: Ruhr-Universität Bochum
La Mantias Apparatur entsalzt Meerwasser mit Strom - allerdings noch im Miniformat.Bild: Ruhr-Universität Bochum

Nur eine Kurve verrät den Erfolg

Als das Experiment beginnt, sieht man, dass man eigentlich nichts sieht. An der Apparatur regt sich nichts, denn "dass die Ionen wandern, kann man nicht sehen - und auch die Elektrodenmaterialien verändern sich während des Vorgangs nicht", sagt La Mantia.

Es steigen keine Bläschen auf, wie es sonst passiert, wenn man Wasser unter Strom setzt. Denn dann zersetzt sich das Wasser normalerweise zu den Gasen Wasserstoff und Sauerstoff, die hochblubbern. Aber La Mantia hält die Spannung ganz bewusst unter dem kritischen Wert für die Zersetzung. Sie ist so gering, dass Wasser Wasser bleibt.

Dass die Entsalzung erfolgreich abläuft, erkennen La Mantia und Battistel lediglich an zwei mysteriösen Kurven auf dem Computerbildschirm.

Nach 40 Minuten Entsalzung platziert Battistel die Elektroden in frischem Meerwasser und lässt den Strom in entgegengesetzter Richtung durch die Apparatur laufen. So setzen die Elektroden die aufgefangenen Salzteilchen wieder frei und sind für den nächsten Zyklus einsatzbereit.

Der Knackpunkt sind die Elektroden

Bisher können die Forscher nur geringe Mengen Meerwasser entsalzen und brauchen dafür relativ lange – die Hälfte des Salzes herauszuholen, das ist bislang das Maximum. Das resultierende Wasser lässt sich dann aber noch lange nicht trinken, da müsste man schon 98 Prozent der ursprünglichen Salzmenge entfernen.

Dass sich das Wasser nicht schneller und vollständig entsalzen lässt, liegt laut La Mantia an den Elektrodenmaterialien: "Silber macht die Apparatur unnötig langsam, da das entstehende Silberchlorid den Teilchenfluss behindert", erklärt er. Das Natriummanganoxid am Minuspol wiederum könne mit einem Mal nicht genug Natrium auffangen und begrenze so die Entsalzungsrate. "An beiden Materialien arbeiten wir bereits intensiv."

Elektronenmikroskopische Aufnahme von Natrium-Mangan-Oxid. Copyright: Ruhr-Universität Bochum
Natrium-Mangan-Oxid-Nanostäbchen binden Natriumionen.Bild: Ruhr-Universität Bochum

Ergänzung, kein Ersatz

Bisher kommt die Batteriemethode in ihrer Geschwindigkeit und Entsalzungsrate nicht an das bewährte Verfahren der Umkehrosmose heran. "Aber wir sind an einem guten Ausgangspunkt", sagt La Mantia. "Ich glaube wirklich, dass meine Methode genauso gut werden kann, vielleicht sogar ein bisschen besser."

Der Forscher will der Umkehrosmose aber auch gar keine direkte Konkurrenz machen. Ihm schwebt eine gegenseitige Ergänzung beider Verfahren vor. "Meine Entsalzungsbatterie funktioniert sehr gut, wenn das Wasser sehr salzig ist", sagt er. "Die Umkehrosmose hingegen arbeitet bei niedrigen Salzkonzentrationen am besten."

Ist das Wasser noch sehr salzig, muss man bei der Umkehrosmose nämlich extrem viel Druck aufwenden, um das Meerwasser durch die Membranen zu pressen, erklärt er. Und die feinen Poren können dann leichter verstopfen, die Membranen würden dreckig und müssten irgendwann ausgetauscht werden. "Das braucht Zeit und Geld."

Meerwasserentsalzungsanlage, Israel Photo: AP Photo/Ariel Schalit
Die Umkehrosmose wird weltweit erfolgreich eingesetzt, um Trinkwasser aus Meerwasser zu erzeugen.Bild: AP

Dem Forscher schwebt vor, in Zukunft seine Entsalzungsbatterie einer Umkehrosmose vorzuschalten. Der Strom würde dann 90 Prozent des Kochsalzes aus dem Wasser ziehen, die Umkehrosmose die restlichen 8 Prozent herausdrücken, die nötig sind, damit das Wasser genießbar wird. "So ließe sich die Lebensdauer der Anlage sicher auf das über Zehnfache erhöhen." Und Energie ließe sich so möglicherweise auch sparen.

Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. "Unsere Methode ist erst ein Jahr alt", sagt La Mantia. Die Umkehrosmose hingegen gibt es bereits seit vielen Jahrzehnten. "Wir vergleichen also ein Baby mit einem Erwachsenen." Bis das Baby Entsalzungsbatterie erwachsen wird, hat La Mantia also noch einiges zu tun.