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Studenten als Chinesischlehrer

Nina Treude13. Dezember 2012

Chinesisch boomt – und zwar nicht nur an den Unis. Immer mehr deutsche Schulen bieten Chinesischunterricht an. Dabei werden die Lehrer von chinesischen Studenten unterstützt. Davon profitieren alle.

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Fremdsprachenassistentin Yun Gao schreibt chinesische Vokabeln an die Tafel. (Foto: Nina Treude/DW)
Bild: DW/Nina Treude

"Tǔdì – xiōngdìjiěmèi – shuǐ" - So heißen die chinesischen Vokabeln für "Erde", "Geschwister" und "Wasser". Yun Gao schreibt sie an die Tafel und spricht sie den Schülern des Remscheider Leibniz-Gymnasiums mehrmals geduldig vor. Dabei schaut sie lächelnd in angestrengte Gesichter. Fließend gehen die Wörter keinem Jugendlichen über die Lippen. Doch die 25-jährige Germanistikstudentin aus China macht ihren Schülern Mut. "Gut so", lobt sie. "Je mehr ihr übt, desto leichter wird es!"

Seit einem Monat unterrichtet Yun Gao die Zehntklässler des Remscheider Gymnasiums, um Chinesischlehrerin Christine Du zu unterstützen. Die 25-jährige Germanistikstudentin aus Nordchina ist eine von 30 chinesischen Fremdsprachenassistenten des deutschen Pädagogischen Austauschdienstes, kurz PAD genannt. Schon seit 2007 kommen die Assistenten für mehrere Monate in die Bundesrepublik, um den Chinesischunterricht an deutschen Schulen zu gestalten. Denn das ist längst keine Seltenheit mehr. An mittlerweile 64 Schulen in Deutschland kann man Chinesisch als Fremdsprache wählen. Rund 200 Schulen bieten Chinesisch-AG's an - Tendenz steigend.

Sprache zum Leben erwecken

Yun Gao ist sogar schon zum zweiten Mal in Deutschland und unterstützt den Sprachunterricht an zwei Remscheider Gymnasien. Sie will den 15- und 16-jährigen Schülern nicht nur ihre Muttersprache beibringen, sondern selbst dazu lernen. "Ich glaube, es ist nicht nur eine gute Chance, mein Deutsch zu verbessern, ich kann auch mein Horizont erweitern und mehr über die deutsche Kultur lernen", erklärt Gao.

Mithilfe von Eselsbrücken und Bildern erklärt Yun Gao ihren Schülern die schwierigen Schriftzeichen. (Foto:Nina Treude/DW)
Yun Gao erklärt Schülern die schwierigen SchriftzeichenBild: DW/Nina Treude

Durch ein Praktikum im Goethe-Institut in Peking hat Yun Gao vom PAD erfahren, der mit Hilfe von muttersprachlichen Fremdsprachenassistenten aus 14 Staaten den Fremdsprachen-unterricht in Deutschland unterstützt. Dass das Interesse an der chinesischen Sprache in Deutschland immer größer wird, wundert Günther Jacob vom PAD, der die Assistenten in einem dreitägigen Einführungskurs schult, nicht. Schließlich gehört China zu den wichtigsten Handelspartnern Deutschlands. Vielen Eltern sei es wichtig, ihre Kinder optimal auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten, erklärt er. "Deshalb wollen sie, dass ihr Kind Chinesisch lernt."

Auf einem Plakat notieren die Schüler die Schriftzeichen, die sie sich nicht merken können: Die Unwörter des Monats. (Foto: NIna Treude/DW)
Unwörter des Monats: Auf einem Plakat notieren Schüler die Schriftzeichen, die sie sich nicht merken können.Bild: DW/Nina Treude

Diskussionen über Meinungsfreiheit

Doch Sprachkenntnisse alleine genügen nicht, betont die Remscheider Chinesischlehrerin Christine Du, die einige Jahre in China gelebt hat. Sie will ihren Schülern auch chinesische Traditionen, Wertvorstellungen und Essgewohnheiten vermitteln. Dabei wird sie von Yun Gao tatkräftig unterstützt. "Ich als Deutsche kenne vielleicht viele Aspekte der Kultur," erzählt sie. "Aber Yun Gao kann als Muttersprachlerin viel besser die chinesische Perspektive auf Wirtschaft und Politik klar machen." So diskutiert die Fremdsprachenassistentin mit den Schülern auch über heikle Themen wie Meinungsfreiheit oder Umweltprobleme, die in den deutschen Medien immer wieder präsent sind.

Die neue Sprache zu lernen, ist für die Schüler eine weitaus größere Herausforderung als der Englisch- oder Französischunterricht. Sie müssen viel Geduld und Ehrgeiz mitbringen, sagt Christine Du. Denn es gibt keine Artikel und Zeiten, dafür aber Schriftzeichen und Betonungen, die Yun Gao mithilfe von Eselsbrücken erklärt. Beispielsweise ähnelt das Schriftzeichen für das Wort "wiederholen" einem kleinen Vogel in einem Nest, der seine Flugübungen stetig wiederholen muss, um fliegen zu lernen, erklärt Yun Gao.

Schüler und Studierende lernen voneinander

Die Schüler hängen an den Lippen der Fremdsprachenassistentin, die das weit entfernte Land im Unterricht zum Leben erweckt. Zehntklässler Philip hat sich von Yun Gao schon viel abgeschaut: "Als Frau Gao uns einen Text vorgelesen hat, habe ich zum ersten Mal gehört, wie ein richtiger Chinese die Wörter betont, die wir lernen. Das klang ganz anders, als wenn unsere Lehrerin spricht."

"Dong bu dong?" heißt soviel wie "Hast du's verstanden?" und ist das erste Schulbuch für Chinesischunterricht in Deutschland. (Foto: Nina Treude/DW)
Chinesisches SchulbuchBild: DW/Nina Treude

Stolz beobachtet Yun Gao die großen Fortschritte ihrer Schüler. Die deutschen Lehrmethoden gefallen ihr besser als die chinesischen. Der Unterricht sei viel interaktiver und es gebe weniger Leistungsdruck, betont die junge Frau. Dadurch gebe es auch mehr Raum für Kreativität. Während die Schüler in China den Lernstoff meistens kritiklos von der Tafel abschreiben, werden in deutschen Klassen Dialoge mit verteilten Rollen einstudiert, Filme geschaut oder die neuesten Vokabelkenntnisse einem Praxistest im Chinarestaurant unterzogen. 

Beide Seiten profitieren vom Programm, sagt Günter Jacob. Nicht nur die Schüler entwickeln sich weiter, auch die Fremdsprachenassistenten nehmen viel mit. So müssten sie sich in einem fremden Land zurechtfinden, was zu einem deutlichen Sprung in der Eigenständigkeit und Persönlichkeitsentwicklung führe, betont er. "Sie lernen das Leben in Deutschland aus eigener Erfahrung kennen, viel besser als jeder Sprachkurs das leisten könnte."